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Klimaschäden – verursacht durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine

Das Zentrum für Umweltinitiativen „ecoaction“ aus Kiew ist eine zivilgesellschaftliche Organisation in der Ukraine im Umweltbereich. Eine Arbeitsgruppe dieser Initiative unter Leitung von Lennard de Klerk hat die Klimaschäden, die im Verlauf des bereits drei Jahre andauernden Krieges entstanden sind, analysiert und in einem Bericht veröffentlicht.

Dabei ermittelten sie, dass die Treibhausgasemissionen durch die unmittelbaren Kampfhandlungen, den erforderlichen Wiederaufbau von Gebäuden, durch Landschaftsbrände, Schäden an der Energieinfrastruktur, die Fluchtbewegung der Zivilbevölkerung und die zivile Luftfahrt im dritten Kriegsjahr um 30 % – entsprechend 55 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent (CO2e) – gestiegen sind. Somit sind kriegsbedingt insgesamt 230 MtCO2e seit Beginn der Invasion am 24. Februar 2022 emittiert worden. Die Emissionen entsprechen dem Äquivalent der jährlichen Emissionen von Österreich, Ungarn, der Tschechischen Republik und der Slowakei zusammen. Oder, um einen anderen Vergleich zu bemühen, den jährlichen Emissionen von 120 Millionen mit fossilen Brennstoffen betriebenen Kraftfahrzeugen.

Den größten Anteil an den Emissionen wie auch den größten Zuwachs im vergangenen Jahr hat die unmittelbare Kriegsführung, was hauptsächlich auf die fortgesetzte Verwendung großer Mengen an fossilen Treibstoffen und Munition zurückzuführen ist. Die Emissionen aus einer anderen großen Kategorie, dem Wiederaufbau von beschädigten Gebäuden und Infrastrukturen, wuchsen langsamer, da die meisten Schäden in den ersten Wochen und Monaten nach der umfassenden Invasion entstanden.

Sektoranteile der CO2-Emissionen

Sektoranteile der CO2-Emissionen

Durch den Krieg verursachte Waldbrände eskalierten 2024 dramatisch. So verdoppelten sich fast die verbrannten Flächen in der Ukraine von durchschnittlich 38,3 Tausend Hektar pro Jahr in den beiden Vorjahren auf 92,1 Tausend Hektar im Jahr 2024. Die Emissionen aus allen Landschaftsbränden, einschließlich der Waldbrände, stiegen mit 25,8 MtCO2e im Jahr 2024, auf einen neuen Gesamtbetrag in allen drei Jahren von 48,7 MtCO2e. Wie in der folgenden Abbildung erkennbar ist, ereigneten sich die meisten Brände an oder in der Nähe der Frontlinien oder in Grenzgebieten.

Die klimatologische Analyse zeigte, dass der Sommer 2024 viel trockener war als im Durchschnitt der vergangenen Jahre, was wahrscheinlich auf den Klimawandel zurückzuführen ist. Diese trockenen Bedingungen schufen die idealen Voraussetzungen dafür, dass Brände, die durch die laufenden Kriegshandlungen verursacht wurden sich dann zu größeren Bränden ausweiten. Da es für die Feuerwehr gefährlich ist, im unmittelbaren Kriegsgebiet zu löschen, wüten diese Brände unkontrolliert weiter und werden immer größer und intensiver. Sie führen zu Kohlendioxidemissionen und zerstören die Vegetation und andere natürliche Kohlenstoffsenken. Das Jahr 2024 ist ein beunruhigendes Beispiel dafür, wie Klimawandel und bewaffnete Konflikte sich gegenseitig verstärken und zu einer verstärkten globalen Erwärmung führen. Es ist ein Kreislauf der Zerstörung.

kriegsbedingte Brände als Emissionsquellen

kriegsbedingte Brände als Emissionsquellen

Die Zerstörung der Energieinfrastruktur verursachte weitere 2,8 Millionen Tonnen CO2e (+16%) in den in den letzten 12 Monaten, so dass sich der Gesamtwert auf 19,0 MtCO2e seit 2022 beläuft.

Die Zerstörung der zivilen Infrastruktur verursachte weitere 6,2 Millionen Tonnen CO2e (+11%) in den letzten 12 Monaten, so dass sich die Gesamtmenge in diesem Bereich auf 62,2 MtCO2e seit 2022 beläuft. Obwohl die meisten Schäden in den ersten Wochen des Konflikts verursacht wurden, sind die städtischen Zentren nahe der Front noch immer stark beschädigt. Die russischen Streitkräfte besetzten langsam aber stetig weitere Gebiete in der Ostukraine und hinterließen eine Spur der Verwüstung. Für den Wiederaufbau der zerstörten Gebäude werden riesige Mengen an Baumaterialien benötigt, von denen kohlenstoffintensiver Beton und Stahl über 80 % der künftigen Wiederaufbauemissionen verursachen werden.

Ein nicht geringer Anteil von Emissionen resultiert aus der Tatsache, dass der Luftraum über den Kriegsgebieten für die zivile Luftfahrt weiträumig gesperrt ist. Eine neue und einzigartige Analyse basiert auf Echtzeit-Flugdaten von über 350.000 jährlichen Flügen über Russland, der Ukraine und Weißrussland vor der Invasion und den umgeleiteten und längeren Flugrouten, die diese Flüge aufgrund der Luftraumsperrung nehmen müssen. Die daraus resultierenden zusätzlichen Emissionen betragen 4,8 Millionen tCO2e, so dass sich die diesbezüglichen Gesamtemissionen auf 14,4 Millionen tCO2e nach drei Jahren des Krieges belaufen.

Insgesamt ist der Bericht ein klarer Beleg dafür, dass Kriege im Allgemeinen und der russische Angriffskrieg in der Ukraine im Speziellen nicht nur großes menschliches Leid und materielle Zerstörungen verursachen, sondern auch die Klimakrise weiter verschärfen. Kampf gegen den Klimawandel muss deshalb immer auch Kampf um Frieden sein.

Fortschritte beim Klimaschutz nicht ausreichend – Klimapolitik breiter denken

Bericht des Expertenrats für Klimafragen

Der Expertenrat für Klimafragen hat den gesetzlichen Auftrag die Entwicklungen und Trends der Treibhausgasemissionen der Bundesrepublik zu untersuchen und die bisherigen Klimaschutzmaßnahmen hinsichtlich ihrer Wirksamkeit, Wirtschaftlichkeit und sozialen Verteilungswirkungen zu bewerten. Er gibt darüber hinaus eine Einordnung zur Ausrichtung der zukünftigen Klimaschutzpolitik Deutschlands und formuliert dabei Anforderungen an das Klimaschutzprogramm, das eine neue Bundesregierung innerhalb des ersten Jahres der Legislaturperiode vorlegen muss. Am 5. Februar 2025 hat der Expertenrat sein Zweijahresgutachten veröffentlicht.

Der Trend des Rückgangs der Treibhausgasemissionen von 2014 bis 2023 hat sich im Vergleich zur Dekade 2010 bis 2019 beschleunigt. Diese Fortschritte beruhen vor allem auf den Emissionsminderungen in den Bereichen Energie und Industrie. Im Energiebereich beruhen diese vor allem auf dem Ausbau der erneuerbaren Energien. In der Industrie waren vor allem höhere Energiepreise sowie konjunkturelle und strukturelle Nachfragerückgänge für die Emissionsminderung verantwortlich. In den beiden Sektoren Gebäude und Verkehr ist die Emissionsminderung hingegen unzureichend. Problematisch ist die Entwicklung im Sektor Landnutzung LULUCF, der eine Nettoquelle statt, wie geplant, eine Nettosenke darstellt. Insgesamt reichen die bisherigen Ergebnisse nicht aus, die gesetzlich festgelegten Klimaziele bis 2030 zu erreichen.

Zum anderen richtet sich der Blick auf die Betroffenheit der privaten Haushalte, insbesondere vulnerable Gruppen innerhalb der Gesellschaft. „Private Haushalte sind vor allem in den Nachfragesektoren Gebäude und Verkehr von finanziellen Auswirkungen verschiedener Maßnahmen betroffen. Zudem weisen einige Maßnahmen ein soziales Ungleichgewicht auf, so wurden bisher primär einkommensstarke Haushalte gefördert“, merkt die stellvertretende Vorsitzende Brigitte Knopf an. „Diese negativen Verteilungswirkungen könnten durch steigende CO2-Preise noch verstärkt werden. Daher sind zusätzliche Unterstützungs- und Kompensationsmaßnahmen erforderlich.“ Der Expertenrat empfiehlt, die sozialen Auswirkungen bei der Ausgestaltung klimapolitischer Maßnahmen künftig stärker mit einzubeziehen und nennt einige Maßnahmenbeispiele zu deren Adressierung.

Wahlprogramme der Parteien zur Bundestagswahl

Betrachtet man die Wahlprogramme der Parteien zur Bundestagswahl 2025 für den Bereich Klima und Energie so zeigt sich, dass dieses Thema nicht unbedingt im Vordergrund steht. Ein klares Bekenntnis zu 100% erneuerbarer Energieversorgung findet sich lediglich bei der Partei die Linke. Vielfach ist nur davon die Rede, die Energie möglichst billig, sprich fossil, anzubieten bzw. wird die erneute Nutzung von Kernenergie propagiert. Damit werden die gesetzlichen Klimaziele der Bundesrepublik wie auch der EU konterkariert.

Position des Aktionsbündnis Klima und Umwelt Jena zur Bundestagswahl

Aus Sicht des Aktionsbündnisses muss dem Themenkomplex Klima und Energie eine deutlich höhere Priorität in der Politik zukommen. Wie auch der Expertenrat hervorhebt, müssen dabei die Konsequenzen vor allem für die sozial schwachen Haushalte beachtet und für einen wirksamen Ausgleich der zu erwartenden Belastungen gesorgt werden.

Am 4. Februar haben Mitglieder des Aktionsbündnisses ihre Position bei einem Flashmob in einer SilentLine zum Ausdruck gebracht.

SilentLine des ABKU Jena

SilentLine des ABKU Jena

Haben Sie schon einmal Digitalzwang verspürt?

Der Verein Digtalcourage e. V. hat aus Anlass des 75. Jahrestages der Unterzeichnung des Grundgesetzes eine Kampagne gestartet, ein Recht auf Leben ohne Digitalzwang in das Grundgesetz aufzunehmen.

Digitalzwang

Digitalzwang – Quelle: digitalcourage CC-BY-4.0

Was ist Digitalzwang?

Digitalzwang ist, wenn es keine analoge oder datenschutzfreundliche Alternative zu einem Produkt oder Service gibt, obwohl sie realisierbar wäre.
Wichtige Aspekte eines Digitalzwangs sind:

  • Digitalisierungszwang: Es gibt keine analoge Alternative mehr. Ohne Smartphone oder PC wird man aus dem öffentlichen Leben ausgegrenzt.
  • App-Zwang: Man brauchen eine App, die nur zu bestimmten Bedingungen installier- bzw. verwendbar ist – der Besitz eines Smartphones wird vorausgesetzt, die Wahl des Betriebssystems ist beschränkt, ein anmeldepflichtiger Zugang zum App-Store ist erforderlich, Tracker und externe Datenzugriffe müssen akzeptiert werden.
  • Kontozwang bzw. Accountzwang: Man kann einen Dienst nur nutzen, wenn man sich ein Konto anlegt und dazu Angaben zu seiner Person macht. Dieser Zwang liegt auch vor, wenn zur Installation einer bestimmten App (App-Zwang) ein Google- oder Apple-Konto vorausgesetzt wird.
  • Datenabgabezwang: Ein Dienst ist nur verfügbar, wenn man bereit ist, Überwachungstechnologien wie Tracker und Cookies zu akzeptieren.

Prinzipiell gilt: Je größer der Nachteil ist, der einer Nutzer:in gegenüber einer digitalen Lösung entsteht, desto größer ist auch der Digitalzwang – insbesondere wenn es um Teilhabe am öffentlichen Leben geht. Ganz besonders Leistungen im Bereich des Staates und der Grundversorgung müssen immer auch eine analoge Alternative beinhalten.

Eine ausführlichere Definition von Digitalzwang ist auf dieser Webseite von Digitalcourage verfügbar. Die Petition kann hier unterschrieben werden.

Digital-Gipfel 2023 in Jena

Unter dem Thema „Digitale Transformation in der Zeitenwende. Nachhaltig. Resilient. Zukunftsorientiert.“ findet der Digital-Gipfel der Bundesregierung am 20. und 21. November 2023 in Jena statt.

„Deutschland befindet sich in einer Zeitenwende. Multiple Herausforderungen nachhaltig zu bewältigen, aber auch die Resilienz zu stärken sowie eine bessere Zukunftsfähigkeit zu schaffen, ist heute ohne Digitalisierung nicht denkbar.“ [1] So steht es auf der Website des Digitalgipfels. Leider wird der Begriff der Zeitenwende dort nicht näher erläutert, wie auch der gesamte dort zu lesende Text eher eine Ansammlung von Schlagwörtern ist, die alles und nichts sagen.

Es gibt in der IT einen schon recht alten, aber nach wie vor gültigen Spruch: „Mit einem Rechner löse ich die Probleme, die ich ohne ihn nicht hätte.“ Wenn heute der Begriff der Digitalisierung in aller Munde ist, so erscheinen die Aussagen dazu vielfach in dem gleichen Licht wie der zitierte Spruch – es geht einfach nur um Digitalisierung an sich und als solche. Zweck und Sinnhaftigkeit der Digitalisierung bezogen auf die anstehenden akuten Probleme unserer Gesellschaft werden kaum bis gar nicht hinterfragt. Digitale Techniken können ein wunderbares Werkzeug in vielen Bereichen unserer Gesellschaft sein, aber eben nur ein Werkzeug. Wie jedes Werkzeug muss es auf etwas angewandt werden, sonst ist es weitgehend nutzlos. Und es ist dabei sehr wohl ein grundlegender Unterschied, ob es zur Bewältigung der komplexen Herausforderungen des Erhalts des Lebensraums Erde dient, oder zur Steigerung des Profits global agierender Tech-Konzerne durch Manipulation vieler Nutzer der sogenannten sozialen Medien.

Der Zweck der Digitalisierung muss den Zielen der sozial-ökologischen Transformation der Gesellschaft untergeordnet sein. Diese Forderung bezieht sich sowohl auf den mit der Digitalisierung unmittelbar verbundenen Ressourcenverbrauch als auch auf die daraus erwachsenden gesellschaftlichen und ökologischen Konsequenzen.

ökologischer Fußabdruck der Digitalisierung

Produktion und Betrieb digitaler Geräte sind inzwischen für einen nicht unerheblichen Teil des weltweiten Materialverbrauchs und der Treibhausgasemissionen verantwortlich. Während die Prozessoren immer leistungsfähiger und energiesparsamer werden, konterkariert die schiere Anzahl von Smartphones, Laptops, intelligenten Geräten sowie deren zunehmende Nutzung und die damit einhergehende enorm wachsende Zahl digitaler Infrastrukturen, einschließlich der wie Pilze aus dem Boden schießenden Rechenzentren, das Energieeinsparpotenzial.

In den 90er Jahren wurde angenommen, das die Digitalisierung der Wirtschaft materielle und energetische Ressourcen schonen könnte, weil Daten und Informationen schließlich „immateriell“ sind. Daran glaubt heute niemand mehr, denn der Energieverbrauchs-Rucksack dieser Datennutzung ist immens. Dazu hier ein paar ausgewählte Fakten:

  • Wenn das Internet ein Land wäre, wäre es gemessen am Stromverbrauch das drittgrößte Land der Welt! [2] Energie in Form von Strom wird benötigt für die Endgeräte, den Transport der Daten und den Betrieb und die Kühlung der Server in den Rechenzentren.
  • Fast 80% des Datenverkehrs wird durch das Streaming von Videos erzeugt. Wer ein nur zehnminütiges YouTube-Video schaut, verbraucht ähnlich viel Energie, wie der fünfminütige Betrieb eines elektrischen 2.000-Watt-Ofens. [3]
  • Die Rechenzentren in Frankfurt am Main verbrauchen ca. 20 Prozent des Stroms in der Stadt und haben damit bereits den Frankfurter Flughafen überholt. [3]
  • Deutschlandweit ist der Stromverbrauch von Rechenzentren höher als der von Berlin. [4]
  • Der weltweite jährliche CO2-Ausstoß des Internets ist inzwischen fast doppelt so groß wie der des globalen Flugverkehrs. [5]
  • Der Mobilfunkstandard 5G erhöht den Energiebedarf des Mobilfunknetzes vergleichsweise um den Jahresverbrauch der 2,5 Millionen Einwohner der Städte Köln, Düsseldorf und Dortmund. [2]
  • Jeder Google-Nutzer könnte mit seinen monatlichen Suchanfragen eine 60-Watt-Glühlampe für drei Stunden betreiben. Und um die durch Google-Anfragen verursachten CO2-Emissionen auszugleichen, müssten zwei Millionen Bäume pro Tag gepflanzt werden. [2]

Dabei hat die Vernetzung von Smart Homes, von autonomen Autos, des Internet-der-Dinge bzw. der Industrie 4.0 noch nicht einmal ansatzweise begonnen.
Jedoch ist nicht allein der Energieverbrauch das Problem. Fragen der Langlebigkeit und Reparierbarkeit von IT-Geräten, der Verwendung von open-source-Techniken und Recycling sind ein weiterer Schlüssel zur Verringerung des ökologischen Fußabdrucks digitaler Technologien und Infrastrukturen. Noch wichtiger ist aber die Reflexion über den tatsächlichen Bedarf von Technologien. Nicht jedes digitale Gerät ist sinnvoll, und nicht jede Dienstleistung muss digitalisiert werden. Gadgets im smarten Zuhause dienen oft nur dem Komfort und nicht der Energieeffizienz. Autonome Fahrzeuge, die Luxus und Komfort versprechen, können noch mehr Straßenverkehr nach sich ziehen. Die klare Vision für die Rolle digitaler Technologien und ihre Unterordnung unter die Ziele einer sozial-ökologischen Transformation wird auch bestimmen, in welchem Umfang immer mehr Geräte und Anwendungen tatsächlich benötigt werden.

Soziale Teilhabe aller Menschen muss gewährleistet sein

Das Programm des Digitalgipfels 2023 in Jena ist geprägt von einer Art „Wir digitalisieren alles“-Mentalität. Notwendig ist jedoch eine Denkweise, die auf einer maßvollen und umsichtigen Nutzung von digitalen Technologien beruht. Die Beibehaltung der Möglichkeit, nicht-digitale Alternativen wählen zu können, kann dabei nicht nur als Wohlstandsgewinn betrachtet werden, sondern ist zur Sicherung der sozialen Teilhabe vieler Menschen schlicht notwendig.

So wird beispielsweise beim Kauf eines Spartickets am Schalter eines DB Reisezentrums seit Sommer 2023 verlangt, eine E-Mail-Adresse oder Mobiltelefonnummer anzugeben [6]. Über den Grund lässt sich nur spekulieren. Was aber macht eine Person, die weder eine E-Mail-Adresse noch ein (mobiles) digitales Endgerät hat und sich den deutlich teureren Flexpreis nicht leisten kann?

Ein anderes Problemfeld tut sich bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen auf. Hier soll die elektronische Patientenakte eingeführt werden. Neben unzureichend beantworteten Fragen des Datenschutzes und der Datensicherheit in Bezug auf derart sensible Daten gibt es keine einheitliche Verfahrensweise bezüglich der Technik. Einige Anbieter setzen auf eine Smartphone-App. Was jedoch macht ein Patient, der kein Smartphone hat oder ein solches nicht hinreichend sicher bedienen kann? [7]

Digitalisierung muss demokratisch sein und dem Gemeinwohl dienen

Eine Handvoll Big-Tech-Unternehmen bestimmt heute die Form und das Design vieler digitaler Technologien – und erzielt damit den größten Anteil der wirtschaftlichen Wertschöpfung im Bereich der Digitalwirtschaft. Als Aktienunternehmen zielen ihre Geschäftsmodelle auf Gewinnmaximierung, auf Bindung der Nutzer*innen an ihre Dienste und die ungefragte Gewinnung persönlicher Daten ab. Diese Daten sind in vielen Fällen die eigentliche Grundlage für digitale Innovationen. Daher ist es nicht verwunderlich, dass viele Unternehmen Daten horten, bewachen und monetarisieren – sei es durch Aufkäufe von Start-Ups der künstlichen Intelligenz oder abgeschottete Märkte in den sozialen Medien.

Der Zugang zu Daten ist jedoch eine entscheidende Voraussetzung für digitale Innovationen, die der Nachhaltigkeit dienen. Für multimodale Mobilitätsanwendungen werden beispielsweise Daten über die Verfügbarkeit von Verkehrsmitteln, die Übereinstimmung von Angebot und Nachfrage und das Management von Fahrgastbewegungen benötigt. Kreislaufwirtschaftliche Geschäftsmodelle basieren auf Produktdaten für Reparatur, Wiederverwendung und Recycling. Und Anwendungen zur optimalen Abstimmung von variablem Stromangebot und -nachfrage können nur mit Echtzeitkenntnissen über die Strommärkte erfolgreich sein.

Der Schlüssel für eine dafür notwendige gemeinwohlorientierte Daten-Gesetzgebung ist die Erleichterung des Zugangs vieler Akteure bei gleichzeitigem Schutz sensibler Informationen und Gewährleistung der Privatsphäre. Daten- Gesetzgebung für das Gemeinwohl umfasst daher eine dreifache Strategie: Erstens muss die Datennutzung für Zwecke, die soziale und ökologische Risiken verstärken – insbesondere solche, die die digitale Souveränität untergraben – wirksamer eingeschränkt und reguliert werden. Zweitens braucht es eine sorgfältige Erstellung von Rechtsvorschriften, um Datenmonopole zu öffnen und die Zugänglichkeit zu relevanten Daten für unterschiedlichste Akteure zu verbessern. Und drittens müssen neue Institutionen geschaffen werden, die die gemeinschaftliche Nutzung von Daten und eine gemeinschaftsorientierte Anwendung datenbasierter Produkte ermöglichen.

Digitale Technologien müssen im Sinne der Suffizienz und der Kreislaufwirtschaft eingesetzt werden

Eine tiefgreifende Transformation, die dem heute bereits fortgeschrittenen Ausmaß der Klima- und Biodiversitätskrise gerecht wird, erfordert nicht nur Effizienzsteigerungen, sondern auch wirkungsvolle Strategien für Suffizienz und Kreislaufwirtschaft. Digitale Technologien können dazu beitragen, dass bei einem solchen Wandel umweltpolitische Ziele und Ziele für ein ‚Gutes Leben‘ besser in Einklang gebracht werden. Intelligente Logistik erleichtert beispielsweise die Mobilität, die Reiseplanung und den Umstieg vom motorisierten Individualverkehr auf öffentliche und gemeinsam genutzte Verkehrsmittel. Intelligente Gebäudedesigns und Sharing-Plattformen bieten den erforderlichen Raum für alle Nutzer*innen und reduzieren gleichzeitig den ressourcenintensiven Bau neuer Gebäude. Darüber hinaus können Secondhand- und Sharing-Tools die Notwendigkeit des Kaufs neuer Waren verringern und gleichzeitig Konsumbedürfnisse befriedigen. Sie tun dies mit dem Nebeneffekt, dass sie globale und generationenübergreifende Ungleichheiten ausgleichen: Suffizienzorientierte Lebensstile sind wesentlich erschwinglicher und lassen gleichzeitig mehr Raum für die Befriedigung der Bedürfnisse künftiger Generationen.

Vierter „Production Gap Report“ veröffentlicht – Globale Öl- und Gasförderung verschärft die Klimakrise

Am 8. November 2023 erschien der vierte „Production Gap Report“ – ein Bericht des Umweltprogramms der Vereinten Nationen, der erstmals 2019 veröffentlicht wurde. Der Bericht zeigt die die Diskrepanz zwischen der von den Regierungen geplanten Produktion fossiler Brennstoffe und dem globalen Produktionsniveau, das mit einer Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5°C oder 2°C vereinbar ist. Der Bericht und die zugehörigen Materialien können online unter https://productiongap.org/2023report abgerufen werden.

Quelle: SEI, Climate Analytics, E3G, IISD, and UNEP. (2023). The Production Gap: Phasing down or phasing up? Top fossil fuel producers plan even more extraction despite climate promises. Stockholm Environment Institute, Climate Analytics, E3G, International Institute for Sustainable Development and United Nations Environment Programme.
https://doi.org/10.51414/sei2023.050

Fossile Brennstoffe lassen wichtige Klimaziele im wahrsten Sinne des Wortes in Rauch aufgehen. Es ist höchste Zeit für einen Wandel. Seit ihrer ersten Quantifizierung im Jahr 2019 ist die globale Produktionslücke (Production Gap) weitgehend unverändert geblieben. In den Kernthesen des Reports 2023 wird belegt, dass nach wie vor die Regierungen für das Jahr 2030 planen, mehr als die doppelte Menge an fossilen Brennstoffen zu produzieren, als es für eine Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5°C maximal zulässig wäre. Insgesamt führen die Pläne und Prognosen der Regierungen zu einem Anstieg der weltweiten Kohleproduktion bis 2030 und der weltweiten Öl- und Gasproduktion bis mindestens 2050. Dies steht im Widerspruch zu den Verpflichtungen der Regierungen im Rahmen des Pariser Abkommens und kollidiert mit den Erwartungen, dass die weltweite Nachfrage nach Kohle, Öl und Gas ihren Höhepunkt innerhalb dieses Jahrzehnts erreichen wird, auch ohne neue politische Maßnahmen.

Die wichtigsten Erzeugerländer haben sich zwar dazu verpflichtet, Netto-Null-Emissionen zu erreichen und haben auch Initiativen zur Reduzierung der Emissionen aus der Produktion fossiler Brennstoffe ergriffen. Aber keines hat sich verpflichtet, die Kohle-, Öl- und Gasproduktion im Einklang mit der Begrenzung der Erwärmung auf 1,5°C zu begrenzen.

Angesichts der Risiken und Unwägbarkeiten der einschlägigen Verfahren des Climate Engineering müssen die Länder einen nahezu vollständigen Ausstieg aus der Kohleproduktion und -nutzung bis 2040 und eine kombinierte Reduzierung der Öl- und Gasförderung und -nutzung bis 2050 um mindestens drei Viertel gegenüber dem Stand von 2020 anstreben. Darüber hinaus muss ein gerechter Übergang weg von fossilen Brennstoffen den unterschiedlichen Verantwortlichkeiten und Fähigkeiten der Länder Rechnung tragen. Regierungen mit größeren Übergangskapazitäten sollten ehrgeizigere Reduktionen anstreben und bei der Finanzierung des Übergangsprozesses in Ländern mit begrenzten Kapazitäten helfen.

Die Produktionslücke bei fossilen Brennstoffen

Die Produktionslücke bei fossilen Brennstoffen – die Differenz zwischen den Plänen und Prognosen der Regierungen und den Werten, die mit einer Begrenzung der Erwärmung auf 1,5°C und 2°C, ausgedrückt in Einheiten von Treibhausgasemissionen aus der Gewinnung und Verbrennung fossiler Brennstoffe – bleibt groß und vergrößert sich im Laufe der Zeit.

António Guterres, der Generalsekretär der UNO kommentierte diesen Bericht wie folgt:

„Die Regierungen verdoppeln buchstäblich die Produktion fossiler Brennstoffe, und das bedeutet doppeltes Leid für die Menschen und den Planeten. Wir können die Klimakatastrophe nicht bewältigen, ohne ihre Ursache zu bekämpfen: die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen. Die COP28 muss ein klares Signal aussenden, dass das Zeitalter der fossilen Brennstoffe vorbei ist – dass sein Ende unausweichlich ist. Wir brauchen glaubwürdige Zusagen für den Ausbau der erneuerbaren Energien, den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen und die Steigerung der Energieeffizienz bei gleichzeitiger Gewährleistung eines gerechten und ausgewogenen Übergangs.“

Sichere und gerechte Erdsystemgrenzen

Viele Menschen fühlen sich aktuell in ihrer gewohnten Lebensweise bedroht: Heißer Krieg in der Ukraine und sich abzeichnende Instabilität der bisherigen USA-dominierten Weltordnung, Inflation und zunehmender Druck auf den Sozialstaat, Klimakrise und die ambivalente politische Reaktion darauf, Unsicherheit angesichts von Klientelpolitik, teils lähmende Zukunftsangst und daraus folgendes stoisches Beharren auf dem Status Quo einschließlich verbreiteter Wut auf Aktionen zivilen Ungehorsams, wachsende Ungleichheit weltweit wie auch national, Probleme im Zusammenhang mit Migration, Ungerechtigkeit bezüglich der Lebenswirklichkeiten zukünftiger Generationen, …

Das ist sicher nur eine kleine Anzahl von empfundenen Bedrohungen, die jeder für sich beliebig fortsetzen könnte und sich in oftmals erst als Reaktion auf andere, tieferliegende Krisen entwickelt haben. Nun nimmt jeder Mensch die einzelnen Bedrohungen ganz individuell wahr und wichtet sie damit auch ganz individuell. Eine Frage wäre damit an dieser Stelle, ob es rationale, wissenschaftlich begründbare Kriterien gibt, die es gestatten, den Grad der Bedrohung, die Dringlichkeit der Bewältigung der jeweiligen Krise festzustellen.
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Earth4All – ein neues Buch des Club of Rome

Vor 50 Jahren veröffentlichte der Club of Rome seine erste Studie „Grenzen des Wachstums“. Die Autorinnen und Autoren, unter ihnen der norwegische Zukunftsforscher Jorgen Randers stellten darin fest, dass wenn die Menschheit weiter so wächst, produziert, konsumiert und die Umwelt verschmutzt wie bis dahin, sie ihre eigene Lebensgrundlage zerstören wird. Heute, 50 Jahre später hat Randers gemeinsam mit weiteren Autoren in der Bundespressekonferenz wiederum ein Buch des Club of Rome vorgestellt: „Earth4All“. Darin werden sofortige drastische Schritte für eine lebenswerte Zukunft gefordert. Ein „weiter so“ würde zu einem Zusammenbruch ganzer Regionen führen und ohne eine Umverteilung des Reichtums lasse sich die Klimakrise nicht lösen. Weiterlesen

EU will Kernkraft und Erdgas als „nachhaltige Technologien“ einstufen

Im Dezember 2019 wurde in Brüssel der „Europäische Grüne Deal“ vorgestellt.
Ausgangspunkt des European Green Deals (EGD) ist die Anerkennung der Tatsache, dass Klimawandel und Umweltzerstörung existenzielle Bedrohungen für Europa und die Welt sind. Mit dem EGD will die Europäische Union daher den Übergang zu einer modernen, ressourceneffizienten und wettbewerbsfähigen Wirtschaft schaffen, die

  • bis 2050 keine Netto-Treibhausgase mehr ausstößt,
  • ihr Wachstum von der Ressourcennutzung abkoppelt,
  • niemanden, weder Mensch noch Region, im Stich lässt.

Ein Drittel der Investitionen aus dem Aufbaupaket NextGenerationEU und dem Siebenjahreshaushalt der EU mit einem Umfang von insgesamt 1,8 Billionen EUR sollen in den Grünen Deal fließen. Der EGD ist mit vielen Einzelmaßnahmen untersetzt, die auf der entsprechenden EU-Website nachgelesen werden können. Es ist abzusehen, dass die Haushaltsmittel der EU, die dafür vorgesehen sind, nicht ausreichen werden um die Ziele des EGD zu erreichen. Die EU hat deshalb eine Taxonomie, also eine Bewertung für potentielle Investoren erarbeitet, welche Technologien im Rahmen des European Green Deals als „nachhaltige Technologien“ gelten. Hier können private Investoren, vermutlich vor allem weltweit agierende Anlagefonds ihr Kapital investieren und mit dem Etikett „nachhaltige Geldanlage“ versehen.

Ein Problem ist dabei jedoch, wie am 31. Dezember 2021 von der EU-Komission veröffentlicht wurde, dass sowohl die Kernenergie wie auch die Erdgasverbrennung als „nachhaltige“ Technologien eingestuft werden. Was am Bau neuer Kernkraftwerke und neuer Gaskraftwerke nachhaltig im Sinne der Bewältigung der Klimakrise sein soll, erschließt sich mir jedoch nicht.

Das Erreichen des 1,5°-Ziels erfordert unmittelbar eine drastische Reduzierung der CO2-Emissionen. Nähere Ausführungen dazu gibt es im Blog der Zukunftswerkstatt Jena. Der Weg dahin kann nur sein, sofort und in bisher unerreichtem Tempo die Kapazitäten der erneuerbaren Energien auszubauen. Dieser Ausbau muss verbunden werden mit dem Ausbau von Energiespeichern und dem Netzausbau, weil die erneuerbaren Energien für sich alleine nicht grundlasttauglich sind. Trotzdem werden jedes neu installierte Windrad und jeder Quadratmeter Solarzellen sofort wirksam für die Energieerzeugung und können CO2-Emissionen sofort reduzieren.

Gaskraftwerke können in diesem Sinne keinen Beitrag zur Erreichung des Klimaziels leisten. Sie emittieren zwar weniger CO2 als Kohlekraftwerke, aber sie emittieren CO2. Und Kernkraftwerke gleich gar nicht. Sie sind (fast) ohne CO2-Emissionen nur dann, wenn ausschließlich der Moment des Betriebs betrachtet wird. Wird die Gesamtemission einschließlich Bau (Beton und Stahl) und Rückbau sowie die Aufbereitung des Kernbrennstoffs und dessen bisher ungeklärte Endlagerung mit betrachtet, ist die Bilanz drastisch schlechter. Hinzu kommt, dass der Neubau eines Kernkraftwerks einschließlich Planung und Genehmigung leicht 20 Jahre dauern kann und damit viel zu spät wirksam werden würde. Kernkraftwerke sind also definitiv kein Beitrag zur Bewältigung der Klimakrise. Ich kann dieses Vorgehen der EU eigentlich nur als Etikettenschwindel oder Neudeutsch Greenwashing bezeichnen.

Hinzu kommt am Ende noch eine grundsätzliche Kritik: Der gesamte Eropean Green Deal ist kein Beitrag zur eigentlich nötigen Transformation unserer Wirtschafts- und Lebensweise. Nur eine nicht an Wachstum orientierte, ressourcenschonende und die planetaren Grenzen beachtende, dezentral vernetzte Gesellschaft wird in der Lage sein, die Klimakrise zu bewältigen. Der European Green Deal verändert die heutige profitorientierte Wirtschaftsweise überhaupt nicht, sondern streicht sie lediglich hübsch grün an.