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Haben Sie schon einmal Digitalzwang verspürt?

Der Verein Digtalcourage e. V. hat aus Anlass des 75. Jahrestages der Unterzeichnung des Grundgesetzes eine Kampagne gestartet, ein Recht auf Leben ohne Digitalzwang in das Grundgesetz aufzunehmen.

Digitalzwang

Digitalzwang – Quelle: digitalcourage CC-BY-4.0

Was ist Digitalzwang?

Digitalzwang ist, wenn es keine analoge oder datenschutzfreundliche Alternative zu einem Produkt oder Service gibt, obwohl sie realisierbar wäre.
Wichtige Aspekte eines Digitalzwangs sind:

  • Digitalisierungszwang: Es gibt keine analoge Alternative mehr. Ohne Smartphone oder PC wird man aus dem öffentlichen Leben ausgegrenzt.
  • App-Zwang: Man brauchen eine App, die nur zu bestimmten Bedingungen installier- bzw. verwendbar ist – der Besitz eines Smartphones wird vorausgesetzt, die Wahl des Betriebssystems ist beschränkt, ein anmeldepflichtiger Zugang zum App-Store ist erforderlich, Tracker und externe Datenzugriffe müssen akzeptiert werden.
  • Kontozwang bzw. Accountzwang: Man kann einen Dienst nur nutzen, wenn man sich ein Konto anlegt und dazu Angaben zu seiner Person macht. Dieser Zwang liegt auch vor, wenn zur Installation einer bestimmten App (App-Zwang) ein Google- oder Apple-Konto vorausgesetzt wird.
  • Datenabgabezwang: Ein Dienst ist nur verfügbar, wenn man bereit ist, Überwachungstechnologien wie Tracker und Cookies zu akzeptieren.

Prinzipiell gilt: Je größer der Nachteil ist, der einer Nutzer:in gegenüber einer digitalen Lösung entsteht, desto größer ist auch der Digitalzwang – insbesondere wenn es um Teilhabe am öffentlichen Leben geht. Ganz besonders Leistungen im Bereich des Staates und der Grundversorgung müssen immer auch eine analoge Alternative beinhalten.

Eine ausführlichere Definition von Digitalzwang ist auf dieser Webseite von Digitalcourage verfügbar. Die Petition kann hier unterschrieben werden.

Digital-Gipfel 2023 in Jena

Unter dem Thema „Digitale Transformation in der Zeitenwende. Nachhaltig. Resilient. Zukunftsorientiert.“ findet der Digital-Gipfel der Bundesregierung am 20. und 21. November 2023 in Jena statt.

„Deutschland befindet sich in einer Zeitenwende. Multiple Herausforderungen nachhaltig zu bewältigen, aber auch die Resilienz zu stärken sowie eine bessere Zukunftsfähigkeit zu schaffen, ist heute ohne Digitalisierung nicht denkbar.“ [1] So steht es auf der Website des Digitalgipfels. Leider wird der Begriff der Zeitenwende dort nicht näher erläutert, wie auch der gesamte dort zu lesende Text eher eine Ansammlung von Schlagwörtern ist, die alles und nichts sagen.

Es gibt in der IT einen schon recht alten, aber nach wie vor gültigen Spruch: „Mit einem Rechner löse ich die Probleme, die ich ohne ihn nicht hätte.“ Wenn heute der Begriff der Digitalisierung in aller Munde ist, so erscheinen die Aussagen dazu vielfach in dem gleichen Licht wie der zitierte Spruch – es geht einfach nur um Digitalisierung an sich und als solche. Zweck und Sinnhaftigkeit der Digitalisierung bezogen auf die anstehenden akuten Probleme unserer Gesellschaft werden kaum bis gar nicht hinterfragt. Digitale Techniken können ein wunderbares Werkzeug in vielen Bereichen unserer Gesellschaft sein, aber eben nur ein Werkzeug. Wie jedes Werkzeug muss es auf etwas angewandt werden, sonst ist es weitgehend nutzlos. Und es ist dabei sehr wohl ein grundlegender Unterschied, ob es zur Bewältigung der komplexen Herausforderungen des Erhalts des Lebensraums Erde dient, oder zur Steigerung des Profits global agierender Tech-Konzerne durch Manipulation vieler Nutzer der sogenannten sozialen Medien.

Der Zweck der Digitalisierung muss den Zielen der sozial-ökologischen Transformation der Gesellschaft untergeordnet sein. Diese Forderung bezieht sich sowohl auf den mit der Digitalisierung unmittelbar verbundenen Ressourcenverbrauch als auch auf die daraus erwachsenden gesellschaftlichen und ökologischen Konsequenzen.

ökologischer Fußabdruck der Digitalisierung

Produktion und Betrieb digitaler Geräte sind inzwischen für einen nicht unerheblichen Teil des weltweiten Materialverbrauchs und der Treibhausgasemissionen verantwortlich. Während die Prozessoren immer leistungsfähiger und energiesparsamer werden, konterkariert die schiere Anzahl von Smartphones, Laptops, intelligenten Geräten sowie deren zunehmende Nutzung und die damit einhergehende enorm wachsende Zahl digitaler Infrastrukturen, einschließlich der wie Pilze aus dem Boden schießenden Rechenzentren, das Energieeinsparpotenzial.

In den 90er Jahren wurde angenommen, das die Digitalisierung der Wirtschaft materielle und energetische Ressourcen schonen könnte, weil Daten und Informationen schließlich „immateriell“ sind. Daran glaubt heute niemand mehr, denn der Energieverbrauchs-Rucksack dieser Datennutzung ist immens. Dazu hier ein paar ausgewählte Fakten:

  • Wenn das Internet ein Land wäre, wäre es gemessen am Stromverbrauch das drittgrößte Land der Welt! [2] Energie in Form von Strom wird benötigt für die Endgeräte, den Transport der Daten und den Betrieb und die Kühlung der Server in den Rechenzentren.
  • Fast 80% des Datenverkehrs wird durch das Streaming von Videos erzeugt. Wer ein nur zehnminütiges YouTube-Video schaut, verbraucht ähnlich viel Energie, wie der fünfminütige Betrieb eines elektrischen 2.000-Watt-Ofens. [3]
  • Die Rechenzentren in Frankfurt am Main verbrauchen ca. 20 Prozent des Stroms in der Stadt und haben damit bereits den Frankfurter Flughafen überholt. [3]
  • Deutschlandweit ist der Stromverbrauch von Rechenzentren höher als der von Berlin. [4]
  • Der weltweite jährliche CO2-Ausstoß des Internets ist inzwischen fast doppelt so groß wie der des globalen Flugverkehrs. [5]
  • Der Mobilfunkstandard 5G erhöht den Energiebedarf des Mobilfunknetzes vergleichsweise um den Jahresverbrauch der 2,5 Millionen Einwohner der Städte Köln, Düsseldorf und Dortmund. [2]
  • Jeder Google-Nutzer könnte mit seinen monatlichen Suchanfragen eine 60-Watt-Glühlampe für drei Stunden betreiben. Und um die durch Google-Anfragen verursachten CO2-Emissionen auszugleichen, müssten zwei Millionen Bäume pro Tag gepflanzt werden. [2]

Dabei hat die Vernetzung von Smart Homes, von autonomen Autos, des Internet-der-Dinge bzw. der Industrie 4.0 noch nicht einmal ansatzweise begonnen.
Jedoch ist nicht allein der Energieverbrauch das Problem. Fragen der Langlebigkeit und Reparierbarkeit von IT-Geräten, der Verwendung von open-source-Techniken und Recycling sind ein weiterer Schlüssel zur Verringerung des ökologischen Fußabdrucks digitaler Technologien und Infrastrukturen. Noch wichtiger ist aber die Reflexion über den tatsächlichen Bedarf von Technologien. Nicht jedes digitale Gerät ist sinnvoll, und nicht jede Dienstleistung muss digitalisiert werden. Gadgets im smarten Zuhause dienen oft nur dem Komfort und nicht der Energieeffizienz. Autonome Fahrzeuge, die Luxus und Komfort versprechen, können noch mehr Straßenverkehr nach sich ziehen. Die klare Vision für die Rolle digitaler Technologien und ihre Unterordnung unter die Ziele einer sozial-ökologischen Transformation wird auch bestimmen, in welchem Umfang immer mehr Geräte und Anwendungen tatsächlich benötigt werden.

Soziale Teilhabe aller Menschen muss gewährleistet sein

Das Programm des Digitalgipfels 2023 in Jena ist geprägt von einer Art „Wir digitalisieren alles“-Mentalität. Notwendig ist jedoch eine Denkweise, die auf einer maßvollen und umsichtigen Nutzung von digitalen Technologien beruht. Die Beibehaltung der Möglichkeit, nicht-digitale Alternativen wählen zu können, kann dabei nicht nur als Wohlstandsgewinn betrachtet werden, sondern ist zur Sicherung der sozialen Teilhabe vieler Menschen schlicht notwendig.

So wird beispielsweise beim Kauf eines Spartickets am Schalter eines DB Reisezentrums seit Sommer 2023 verlangt, eine E-Mail-Adresse oder Mobiltelefonnummer anzugeben [6]. Über den Grund lässt sich nur spekulieren. Was aber macht eine Person, die weder eine E-Mail-Adresse noch ein (mobiles) digitales Endgerät hat und sich den deutlich teureren Flexpreis nicht leisten kann?

Ein anderes Problemfeld tut sich bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen auf. Hier soll die elektronische Patientenakte eingeführt werden. Neben unzureichend beantworteten Fragen des Datenschutzes und der Datensicherheit in Bezug auf derart sensible Daten gibt es keine einheitliche Verfahrensweise bezüglich der Technik. Einige Anbieter setzen auf eine Smartphone-App. Was jedoch macht ein Patient, der kein Smartphone hat oder ein solches nicht hinreichend sicher bedienen kann? [7]

Digitalisierung muss demokratisch sein und dem Gemeinwohl dienen

Eine Handvoll Big-Tech-Unternehmen bestimmt heute die Form und das Design vieler digitaler Technologien – und erzielt damit den größten Anteil der wirtschaftlichen Wertschöpfung im Bereich der Digitalwirtschaft. Als Aktienunternehmen zielen ihre Geschäftsmodelle auf Gewinnmaximierung, auf Bindung der Nutzer*innen an ihre Dienste und die ungefragte Gewinnung persönlicher Daten ab. Diese Daten sind in vielen Fällen die eigentliche Grundlage für digitale Innovationen. Daher ist es nicht verwunderlich, dass viele Unternehmen Daten horten, bewachen und monetarisieren – sei es durch Aufkäufe von Start-Ups der künstlichen Intelligenz oder abgeschottete Märkte in den sozialen Medien.

Der Zugang zu Daten ist jedoch eine entscheidende Voraussetzung für digitale Innovationen, die der Nachhaltigkeit dienen. Für multimodale Mobilitätsanwendungen werden beispielsweise Daten über die Verfügbarkeit von Verkehrsmitteln, die Übereinstimmung von Angebot und Nachfrage und das Management von Fahrgastbewegungen benötigt. Kreislaufwirtschaftliche Geschäftsmodelle basieren auf Produktdaten für Reparatur, Wiederverwendung und Recycling. Und Anwendungen zur optimalen Abstimmung von variablem Stromangebot und -nachfrage können nur mit Echtzeitkenntnissen über die Strommärkte erfolgreich sein.

Der Schlüssel für eine dafür notwendige gemeinwohlorientierte Daten-Gesetzgebung ist die Erleichterung des Zugangs vieler Akteure bei gleichzeitigem Schutz sensibler Informationen und Gewährleistung der Privatsphäre. Daten- Gesetzgebung für das Gemeinwohl umfasst daher eine dreifache Strategie: Erstens muss die Datennutzung für Zwecke, die soziale und ökologische Risiken verstärken – insbesondere solche, die die digitale Souveränität untergraben – wirksamer eingeschränkt und reguliert werden. Zweitens braucht es eine sorgfältige Erstellung von Rechtsvorschriften, um Datenmonopole zu öffnen und die Zugänglichkeit zu relevanten Daten für unterschiedlichste Akteure zu verbessern. Und drittens müssen neue Institutionen geschaffen werden, die die gemeinschaftliche Nutzung von Daten und eine gemeinschaftsorientierte Anwendung datenbasierter Produkte ermöglichen.

Digitale Technologien müssen im Sinne der Suffizienz und der Kreislaufwirtschaft eingesetzt werden

Eine tiefgreifende Transformation, die dem heute bereits fortgeschrittenen Ausmaß der Klima- und Biodiversitätskrise gerecht wird, erfordert nicht nur Effizienzsteigerungen, sondern auch wirkungsvolle Strategien für Suffizienz und Kreislaufwirtschaft. Digitale Technologien können dazu beitragen, dass bei einem solchen Wandel umweltpolitische Ziele und Ziele für ein ‚Gutes Leben‘ besser in Einklang gebracht werden. Intelligente Logistik erleichtert beispielsweise die Mobilität, die Reiseplanung und den Umstieg vom motorisierten Individualverkehr auf öffentliche und gemeinsam genutzte Verkehrsmittel. Intelligente Gebäudedesigns und Sharing-Plattformen bieten den erforderlichen Raum für alle Nutzer*innen und reduzieren gleichzeitig den ressourcenintensiven Bau neuer Gebäude. Darüber hinaus können Secondhand- und Sharing-Tools die Notwendigkeit des Kaufs neuer Waren verringern und gleichzeitig Konsumbedürfnisse befriedigen. Sie tun dies mit dem Nebeneffekt, dass sie globale und generationenübergreifende Ungleichheiten ausgleichen: Suffizienzorientierte Lebensstile sind wesentlich erschwinglicher und lassen gleichzeitig mehr Raum für die Befriedigung der Bedürfnisse künftiger Generationen.

COP 27 in Ägypten, Zweijahresgutachten 2022 in Berlin – und nun?

Graffito an der Saalbahn bei Jena-Zwätzen

Graffito an der Saalbahn bei Jena-Zwätzen

Das Graffito habe ich am Sonntag in Zwätzen entdeckt. Dort wurde im Rahmen einer von der Stadt Jena geförderten Aktion eine Lärmschutzwand der Saalbahn mit Graffiti gestaltet. Das Bild symbolisiert für mich sehr schön die momentane Situation bezüglich der Klimakrise: Das Eis schmilzt unter der Hand weg, die Zukunft wird verspielt und der Spieler schaut ganz verdattert, was er da angerichtet hat.
Gleichzeitig findet in Ägypten die jährliche UN-Klimakonferenz statt – inzwischen die 27. Festgestellt wird dort wie auch bei den vorherigen Konferenzen, dass die Ziele, die sich die Länder gestellt haben in der Summe nicht ausreichen, um das Ziel der Pariser Klimakonferenz von 2015 zu erreichen. Die globale Klimaerwärmung wird nach bisherigem Stand der Dinge im Jahr 2100 wohl etwa 2,4 Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau betragen. Erste Stimmen aus der Klimaforschung bekennen, dass das 1,5-Grad-Ziel wohl nicht mehr erreichbar ist, egal welche Anstrengungen unternommen werden.
Das trifft explizit auch auf die Nicht-Erreichung der Klimaziele in Deutschland zu. Im Zweijahresgutachten 2022 des Expertenrates für Klimafragen lautet die zentrale Aussage „Zielerreichung 2030 fraglich ohne Paradigmenwechsel“.
Auf der anlässlich der Vorstellung des Gutachtens stattgefundenen Pressekonferenz sagte der Vorsitzende des Expertenrates, Hans-Martin Henning:

„Wir sehen, dass ein nahezu kontinuierlicher Zuwachs der Aktivitäten in allen Sektoren einschließlich Rebound-Effekten einer technisch möglichen stärkeren Absenkung der Emissionen entgegenwirkte […] Effizienzgewinne wurden also beispielsweise durch das allgemeine Wirtschaftswachstum, größere Wohnfläche oder gestiegene Transportleistungen konterkariert.”

Ratsmitglied Thomas Heimer äußerte:

„Die jährlich erzielte Minderungsmenge müsste sich im Vergleich zur historischen Entwicklung der letzten 10 Jahre mehr als verdoppeln. Im Industriesektor wäre etwa eine 10-fache und bei Verkehr sogar eine 14-fache Erhöhung der durchschnittlichen Minderungsmenge pro Jahr notwendig.“

In der im Gutachten durchgeführten Analyse der Entwicklungen in der jüngeren Vergangenheit „[…] werden die Jahre von 2000 bis 2021 betrachtet, in denen eine Treibhausgasemissionsminderung um 26,6 % bzw. temperaturbereinigt um 27,3 % stattgefunden hat. Dabei hat über den gesamten Zeitverlauf vor allem die Wirtschaftsentwicklung emissionssteigernd gewirkt.“
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Klimaentscheid in Jena: Bürgerbegehren gestartet

Fünf Jahre nach dem Abschluss des Pariser Klimaabkommens ist nicht viel passiert – wir rasen noch immer mit Vollgas in die Klimakatastrophe.

Zwar hat Jena mit der Agenda „Global Nachhaltige Kommune“ und der Ausrufung des Klimanotstands erste Schritte in die richtige Richtung gesetzt – passiert ist faktisch leider noch längst nicht genug. Und selbst die städtischen Zielsetzungen sind längst nicht ausreichend.

Mit dem Klimaentscheid Jena soll nun mittels direkter Demokratie das Pariser Klimaziel endlich in Jena umgesetzt werden, und zwar mit einem Bürgerbegehren. Wir glauben, dass die Menschen der Stadt bereit sind, ihrer Verantwortung gerecht zu werden und ganz konkret vor Ort den nötigen Beitrag für eine klimagerechte Welt zu leisten.

Auf der Website des Klimaentscheids Jena gibt es weitere Informationen dazu.

Parallel dazu wurde mit dem Radentscheid Jena ein weiteres Bürgerbegehren im Zusammenhang mit der Klimakrise gestartet.

Die Zukunftswerkstatt unterstützt beide Aktionen aktiv – wir sehen uns beim Sammeln der Unterschriften.