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Klimaneutralität bis 2045 – unzureichend für 1,5-Grad-Ziel Deutschlands

verbleibendes CO2-Budget Deutschland

verbleibendes CO2-Budget Deutschland


Auf der Website #showyourbudgets wird das verbleibende CO2-Budget berechnet, was zur Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels noch emittiert werden darf.

Im Paris-Abkommen haben die Länder der Welt versprochen, die Klimaerwärmung auf „deutlich unter zwei Grad“ zu begrenzen und „Anstrengungen zu unternehmen“, die Erwärmung bei 1,5 Grad zu stoppen. Der Weltklimarat IPCC hat berechnet, wie viel CO2 die Menschheit noch emittieren darf, um diese Ziele zu erreichen. Das ist das CO2-Budget der Welt.

Diese globalen CO2-Budgets können auf einzelne Länder gemäß ihrem Anteil an der Weltbevölkerung verteilt werden. Mit diesen nationalen CO2-Budgets und den aktuellen Emissionen lässt sich dann berechnen, wann ein Land Netto-Null-Emissionen erreichen muss, wenn man von einem linearen Reduktionspfad ausgeht.

Die Grafik für Deutschland zeigt, dass für die Erreichung des 1,5-Grad-Ziels mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% die Klimaneutralität bis 2029 erreicht sein muss. Die Vorgabe des Klimagesetzes die Klimaneutralität für Deutschland bis 2045 zu erreichen reicht nur für eine Begrenzung der Erwärmung auf 1,8 Grad und das auch nur mit einer Wahrscheinlichkeit von 50%.

Deutschland erreicht damit seine Verpflichtung gegenüber dem Pariser Klimaabkommen nicht.

Sichere und gerechte Erdsystemgrenzen

Viele Menschen fühlen sich aktuell in ihrer gewohnten Lebensweise bedroht: Heißer Krieg in der Ukraine und sich abzeichnende Instabilität der bisherigen USA-dominierten Weltordnung, Inflation und zunehmender Druck auf den Sozialstaat, Klimakrise und die ambivalente politische Reaktion darauf, Unsicherheit angesichts von Klientelpolitik, teils lähmende Zukunftsangst und daraus folgendes stoisches Beharren auf dem Status Quo einschließlich verbreiteter Wut auf Aktionen zivilen Ungehorsams, wachsende Ungleichheit weltweit wie auch national, Probleme im Zusammenhang mit Migration, Ungerechtigkeit bezüglich der Lebenswirklichkeiten zukünftiger Generationen, …

Das ist sicher nur eine kleine Anzahl von empfundenen Bedrohungen, die jeder für sich beliebig fortsetzen könnte und sich in oftmals erst als Reaktion auf andere, tieferliegende Krisen entwickelt haben. Nun nimmt jeder Mensch die einzelnen Bedrohungen ganz individuell wahr und wichtet sie damit auch ganz individuell. Eine Frage wäre damit an dieser Stelle, ob es rationale, wissenschaftlich begründbare Kriterien gibt, die es gestatten, den Grad der Bedrohung, die Dringlichkeit der Bewältigung der jeweiligen Krise festzustellen.
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Die menschliche Klima-Nische wird kleiner

Am 22. Mai 2023 veröffentlichten Timothy M. Lenton u. a einen Artikel in der Zeitschrift Nature unter dem Titel „Quantifying the human cost of global warming“, der die zukünftig zu erwartenden Probleme der Lebensbedingungen vieler Menschen unter den Bedingungen des Klimawandels untersucht. Nachfolgend sind daraus einige wesentliche Aspekte dargestellt.

Aktuell zeigt sich, dass trotz verstärkter Zusagen und verbesserter Ziele zur Bekämpfung des Klimawandels die Welt bei der derzeitigen Politik immer noch auf dem Weg zu einer globalen Erwärmung von etwa 2,7 °C am Ende des Jahrhunderts gegenüber dem vorindustriellen Niveau ist. Forderungen nach Klimagerechtigkeit unterstreichen die Notwendigkeit, die durch den Klimawandel verursachten sozialen Ungerechtigkeiten zu bekämpfen. Bestehende Schätzungen der Kosten des Klimawandels werden fast ausschließlich in Geldwerten ausgedrückt, wodurch die Auswirkungen auf die Reichen stärker ins Gewicht fallen, als die auf die Armen. Hinzu kommt, dass zukünftige Schäden einer wirtschaftlichen Diskontierung unterliegen, weshalb die heute Lebenden ihre Belastungen höher schätzen ein als die der in der Zukunft Lebenden. Unter dem Gesichtspunkt der Gerechtigkeit ist dies unethisch: Wenn Leben oder Gesundheit auf dem Spiel stehen, sollten alle Menschen gleichbehandelt werden, egal ob sie reich oder arm sind, egal ob sie leben oder noch nicht geboren wurden.
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Jenaer Umwelttag 2023

Gestern fand im Rahmen des Kinder- und Familienfests auf der Rasenmühleninsel auch der Jenaer Umwelttag 2023 statt. Hier hatten sich das Klimanetz Jena und das Klimanotstandszentrum mit einem gemeinsamen Stand beteiligt.

Stand des Klimanotstandszentrums und des Klimanetz Jena

Der Schwerpunkt in diesem Jahr lag auf dem Thema Migration, die durch die Klimakrise immer stärker angetrieben wird.
Die politischen Reaktionen zum Beispiel in den USA und in Deutschland sind jedoch statt auf Entschärfung der Ursachen lediglich auf Abschottung gerichtet.
Auf der Waage ist die Abstimmung zu der Frage zu sehen, ob man sich schon einmal Gedanken gemacht habe wohin man aus Jena angesichts einer möglichen Klima- oder Umweltkatastrophe selber fliehen wolle. Der Waage-Teller neigt sich auf dem Bild zur „Nein“-Seite – es gab jedoch auch viele Besucher, welche die Frage mit „Ja“ beantworteten und auf der unten erkennbaren Weltkarte mit einer Nadel ihr persönliches Fluchtziel kennzeichneten.
Am Ende waren die meisten Nadeln im skandinavischen Raum verortet, so viele, dass der Platz dafür auf der Karte nicht mehr reichte.
Ob die Besucher angesichts dieser Situation auch darüber nachgedacht haben, was wohl die Skandinavier dazu sagen würden …

Expertenrat für Klimafragen bestätigt Berechnungen des Bundesumweltamts

Heute (17. April 2023) stellte der Expertenrat für Klimafragen seinen „Prüfbericht zur Berechnung der deutschen Treibhausgasemissionen für das Jahr 2022“ vor. Entsprechend den Vorgaben des Klimaschutzgesetzes prüft der Expertenrat für Klimafragen die die im März veröffentlichten Daten des Umweltbundesamtes zu den Treibhausgasemissionen des Vorjahres und bewertet die Erreichung der im Gesetz festgeschriebenen Ziele.
Im Jahr 2022 sind die Treibhausgasemissionen Deutschlands leicht um 1,9 Prozent gesunken. Der Energiesektor kann seine Jahresemissionsmengen für 2022 von 257 Millionen Tonnen knapp einhalten. Die Sektoren Verkehr und Gebäude liegen dagegen wieder über den im Bundes-Klimaschutzgesetz festgelegten Jahresemissionsmengen.

Treibhausgasemissionen 2022 nach Sektoren

Treibhausgasemissionen 2022 nach Sektoren

Treibhausgasausstoß 2022 nach Sektoren
Sektor Zielwert für 2022 Emissionen 2022 Differenz
Energiewirtschaft 257 255,9 -1,1
Industrie 176,9 164,2 -12,7
Gebäude 107,4 111,7 +4,3
Verkehr 138,8 148,5 +9,7
Landwirtschaft 67,6 61,7 -5,9
Abfallwirtschaft 8,5 4,3 -4,2
Gesamt 756,2 746,2 -9,9

Quelle: Expertenrat für Klimafragen; Werte in Millionen Tonnen CO2-Äquivalente

Die Tabelle zeigt, dass es bei allen Sektoren, die ihre Emissionen gesenkt haben, recht knapp zugeht – außer der Abfallwirtschaft, die jedoch insgesamt nur einen geringen Beitrag zu den Emissionen leistet.

Die Expertinnen und Experten empfahlen der Regierung zur Erreichung der Klimaschutzziele vor allem „konkrete Maßnahmen in Richtung Energieeffizienz“ im Gebäudesektor und in der Industrie. Der bisherige Ausbau im Bereich Wärmepumpen, erneuerbare Energie und Elektromobilität sei nicht ausreichend. Im Verkehrssektor werde es bis 2025 keine Trendwende geben, „wenn wir nicht stärkere Maßnahmen sehen“, mahnte der Vorsitzende des Expertenrats, Hans-Martin Henning. Er monierte, dass die Politik noch nicht einmal im Ansatz versuche, „die Aktivitäten zu stabilisieren oder zu begrenzen“, sondern von einer Zunahme des Straßengüterverkehrs ausgehe.

Das Klimaschutzgesetz gibt jedem Sektor für jedes Jahr spezifische Ziele vor. Da diese 2022 in den Sektoren Verkehr und Gebäude nicht erreicht wurden, müssten die zuständigen Minister nun ein Sofortprogramm vorlegen, damit die Ziele eingehalten werden. Leider wurde im Koalitionsausschuss der Ampelparteien Ende März 2023 beschlossen, diese konkrete Sektor-Zuordnung aufzuheben und die Einhaltung der Klimaschutzziele nur noch in einer mehrjährigen Gesamtrechnung zu überprüfen und dazu das Klimaschutzgesetz zu ändern.

Der Expertenrat forderte heute, dass die zuständigen Minister für ihre Sektoren verantwortlich bleiben müssen – insbesondere deshalb, weil im Verkehrs- und Gebäudesektor erneut die Vorgaben verfehlt wurden. Eine Aufweichung der Ressortverantwortung bedeutet ein Verwaschen der Verantwortung und erhöht das Risiko, die Ziele auch zukünftig zu verfehlen. Insofern ist der aktuelle Kurs der Regierung bezüglich des Umgangs mit der Klimakrise kontraproduktiv und trägt nicht zu deren Entschärfung bei.

Notwendig ist zur Erreichung der gesetzlich vorgegebenen Ziele ein jährliche Reduzierung der CO2-Emissionen von etw 6%.

Klimaaktionsplan – Jena klimaneutral spätestens ab 2035

Im Juli 2021 beschloss der Jenaer Stadtrat, dass Jena bis 2035 klimaneutral werden soll. Zur Umsetzung dieses Beschlusses wurde das Klima-Büro target GmbH aus Hannover beauftragt, bis September 2022 einen Klimaaktionsplan zu erstellen. Darin soll ein Szenario einschließlich der erforderlichen Maßnahmen entwickelt werden, deren Umsetzung zur Klimaneutralität Jenas bis 2035 führt. Der erste Entwurf wurde im September 2022 vorgestellt, der endgültige Entwurf liegt mittlerweile vor und muss nun durch den Stadtrat beschlossen werden. Der Klimaaktionsplan kann auf der Website des Klimaentscheids Jena eingesehen werden. Wichtige ausgewählte Aspekte des Klimaaktionsplans sind nachfolgend dargestellt.

#1: Einberufung von Klima-Bürgerräten

Bürgerräte
Ein Bürger:innenrat ist eine zufällig ausgeloste Versammlung mit dem Ziel, alle Perspektiven auf ein Thema – in dem Fall Klimaschutz vor Ort – sichtbar zu machen. Auf Grundlage fundierter Information wird diskutiert. Der Prozess wird von neutraler Seite moderiert, die Ergebnisse genau festgehalten. Denn diese sollen die Grundlage für weitere Entscheidungen zum Thema werden. Echte Bürger:innenbeteiligung also! Das Konzept ist nicht neu: In Irland wurde damit sogar eine Verfassungsänderung vorbereitet. Auch in Deutschland tagte bereits 2021 ein Bürgerrat zum Thema Klimakrise.
Der Klima-Aktionsplan sagt: „Ziel der Maßnahme ist es, eine Versammlung zufällig ausgeloster Bürger einzuberufen, die in ihrer Zusammensetzung ein möglichst gutes Abbild der Bevölkerung darstellen sollen. Bei der Auslosung müssen daher Kriterien wie Geschlecht, Alter, Bildung, Wohnort und Migrationshintergrund berücksichtigt werden. Die ausgelosten Bürger werden eingeladen, am Bürgerrat teilzunehmen. Die Arbeit […] muss durch die Bereitstellung von Fachinformation und wissenschaftlichen Erkenntnissen (z. B. durch Fachvorträge zu Beginn) untermauert und von einer zielgerichteten Moderation begleitet werden. Das Ergebnis müssen gemeinsame Handlungsempfehlungen sein, die dann an den Stadtrat übergeben werden.“ (S. 26)

#2: Verbesserung der Fuß- und Radverkehrsinfrastruktur


Themenfeld: Klimaneutrale Mobilität
Der KAP baut hier auf dem Radentscheid auf: Auf dessen Initiative wird der „Radverkehrsplan 2035+“ erarbeitet. Zu wenig Beachtung findet aber bislang der Fußverkehr, der gerade in Jena große Bedeutung unter den Mobilitäts-formen hat. Kurze Wege brauchen keine Räder und Motoren.
Der Klima-Aktionsplan sagt: „Um die Verkehrsteilnehmer zum Umstieg auf Rad- und Fußverkehr zu motivieren, bedarf es […] einer Verbesserung der vorhandenen Infrastruktur. Dadurch wird einerseits die Attraktivität des Rad- und Fußverkehrs gesteigert, andererseits tragen infrastrukturelle Verbesserungen auch zu einer erhöhten Verkehrssicherheit bei.“ Und: „Radfahrer und Fußgänger [müssen] bei der Verkehrsplanung prioritär behandelt werden.“ (S. 79)

#3: Offensive bei erneuerbaren Energien

erneuerbare Energien
Themenfeld: Klimaneutrale Energieversorgung
Wir brauchen Energie aus erneuerbaren Quellen, wenn wir Klimaneutralität wollen. Die Kapazitäten dafür sind auch in Jena da, selbst wenn es etwas eng ist im Saaletal. Gleich in mehreren Maßnahmen wird der Ausbau von Solarenergie festgeschrieben, wie auch die Prüfung von Windkraftanlagen. Um 2035 klimaneutral zu werden, beziffert der KAP den Bedarf von 36 ha für Freiflächen-Photovoltaik und 10 Windkraftanlagen (je 3 MW Leistung).
Um die Potenziale der privaten Dächer besser auszuschöpfen, sollen die Hürden für Besitzer:innen unter anderem durch ein Pachtmodell klein wer-den: „Die Investition in die Anlage wird im Falle eines Pachtmodells nicht durch den Hauseigentümer getätigt, sondern durch die Stadtwerke. Die Stadtwerke als Investor verpachten die Anlage dann an die Hauseigentümer, die die Anlage betreiben und den Strom selbst nutzen können.“ (S. 117)
Der KAP lässt nun zusätzlich zu den Flächen, die bereits auf ihre Eignung geprüft werden, auch Gebiete entlang der Saale sowie Autobahn- und Zug-trassen analysieren. Auch die Mitnutzung landwirtschaftlicher Flächen („Agri-PV“) ist vorgesehen. Klar ist aber auch: „Aufgrund des begrenzten Flächenangebots sollte die Stadt in diesem Zusammenhang auch unterstützend bei der Flächenermittlung im Umland tätig werden.“ (S. 115)

#4: Förderung klimafreundlicher Ernährung in städtischen Einrichtungen

klimafreundliche Ernährung
Themenfeld: Klimafreundliche Lebensweise
Ernährung spielt eine gewichtige Rolle in der Klimabilanz. Nicht nur (aber auch!) aus tierethischen Gründen, sondern weil der Ressourcenverbrauch tierischer Nahrungsmittel an Landfläche, Wasser und Treibhausgasemissionen die Grenzen des Wachstums längst überschritten hat, braucht es hier einen Wandel. Doch nicht nur mehr Pflanzliches muss auf den Tisch, auch sollten wir (wieder) mehr Saisonalität und Regionalität wagen!
Der Klima-Aktionsplan sagt hier: „Ausweitung des veganen/vegetarischen Angebots oder eine Reduktion des Angebots von tierischen Produkten“; „Insbesondere in den Schulen besteht die Möglichkeit der aktiven Teilhabe der Nutzergruppen (z. B. durch eine Einbindung von Schulköchen oder Arbeitsgemeinschaften mit den Schülern)“ (S. 121)
Und der KAP greift eine Idee, die auch in Jena angekommen ist: Die eines Ernährungsrates. Wenn dich das Thema interessiert, melde dich gern bei der Mailingliste des „Stammtischs Nachhaltige Ernährungswende Jena“ an, aus dem heraus die Gründung eines Ernährungsrates diskutiert wird (einfach per mail an ernaehrungsstammtisch-jena-subscribe@lists.riseup.net)

#5: Nutzung von Flussthermie für einen Teil der Fernwärme

Flussthermie
Themenfeld: Klimaneutrale Energieversorgung
Bislang verbrennt im Burgauer Kraftwerk fossiles Erdgas für die Fernwärme der Stadt. Im KAP wird zusammenfassend kommentiert: „Die Dekarbonisierung der Wärmeversorgung ist eine der wichtigsten Stellschrauben zur Erreichung der Klimaneutralität.“ Mit anderen Worten: Wir müssen weg vom Gas!
Der KAP schlägt hier vorsichtig eine Variante vor, wie es gehen könnte: „Erste Untersuchungen zeigen, dass die […] Potenziale besonders hinsichtlich der Nutzung der Flussthermie der Saale mittels Wärmepumpen erheblich sind. Natur-, Umwelt- und Gewässerschutz bilden elementare Leitplanken der tatsächlichen Nutzung und bedürfen Untersuchungen im Rahmen entsprechender Genehmigungsverfahren.“ (S. 106)
Tatsächlich handelt es sich bei Flussthermie um eine in Deutschland noch wenig etablierte Technik. Am 10. Februar 2023 kam bei NANO (3Sat) ein Beitrag, der sich mit genau dieser Frage befasste am Beispiel der Weißen Elster in Neumühle und in Gera. Hier ist der Link auf die Sendung. Der Beitrag zur Flusswärme läuft etwa von der Sendeminute 6 bis 13. Vielleicht wird Jena hier eine Vorreiterin – aber die gebotene Vorsicht macht es notwendig, auch andere Konzepte parallel zu erarbeiten, um auch sicher und bald den Abschied von einer geopolitisch und klimabezogen nicht mehr tragbaren Energieform feiern zu können.

#6: Finanzielle Attraktivität des öffentlichen Nahverkehrs

öffentlicher Nahverkehr
Themenfeld: Klima-neutrale Mobilität
Hier lautet die Hauptaussage im KAP: Öffentlicher Nahverkehr muss günstiger sein als die Nutzung des Autos! Wichtig ist aber ebenso, dass das Angebot an Öffis auch entsprechend ausgebaut wird, unter anderem durch:

  • Ausbau des Liniennetzes
  • Investition in Infrastruktur (z. B. Haltestellen)
  • Einbindung alternativer Bedienungsformen („on-demand“-Verkehre)
  • Clevere Verknüpfung verschiedener Verkehrsarten an Mobilitätsstationen (ÖPNV, Rad-, Fußverkehr, Car-Sharing)

Ohne Frage gehören zu den Anreizen für bessere ÖPNV-Nutzung im Gegenzug auch jene Faktoren, die den Autoverkehr zurückdrängen. Im engen Jena ist insbesondere der hohe Flächenbedarf parkender Autos (denn die Fahrzeuge sind in der aktuellen Nutzungsform zu einem übergroßen Teil der Zeit doch eher „Steh“zeuge) ist hierbei ein Faktor, der einer Verkehrswende und generell lebensnäherer Nutzung des Stadtraumes bisher im Wege steht. Hier soll gegengesteuert werden durch Verknappung der Stellplätze und Anpassung der Parkgebühren. Letztere sollen zukünftig mit der Preisentwicklung im ÖPNV gekoppelt werden, damit die Wahl für umweltfreundlichen Verkehr sich stets preislich auszahlt. (S. 74, 81) Nicht im KAP steht jedoch irgendeine Form von Verbot, auch werden Ausnahmeregelungen für Menschen mit Behinderungen sowie der Faktor Einkommensstärke für Vergünstigungen klar benannt, um keine soziale Ungleichheiten zu schaffen. Teilhabe und Zugang zur Innenstadt für alle wird es weiterhin geben!

#7: Klimaneutrale Gebäude und Quartiere

klimaneutrale Gebäude und Quartiere
Themenfeld: Klimaneutrale Gebäude und Quartiere
Thema Wärme: Wie wäre es, wenn wir davon einfach weniger brauchen, weil unsere Häuser sie „für sich“ behalten? Jena steht in Sachen energetischer Gebäudesanierung nicht schlecht da – aber für das ambitionierte Ziel, bis 2035 klima-neutral zu werden, müssen alle Potentiale ausgeschöpft werden.
Eine ganze Palette von Maßnahmen im KAP soll dafür sorgen, dass im Gebäudebestand und auch in Neubauten so wenig wie möglich Energie „verheizt“ wird. Dazu sollen z. B. zehn Modellquartiere ausgewählt und saniert werden, die in Alter und Zustand jeweils homogen sind und sich dadurch gut für integrierte Lösungen eignen. (S. 37) Zudem soll es in Zusammenarbeit mit den Verbraucherzentralen eine aktive, kontinuierliche Beratungskampagne zum Thema energetische Sanierungen für Hausbesitzer:innen geben.
Für neu errichtete Gebäude sollen Bauleitplanung und Mindeststandards angepasst werden: „Ziel dieser Maßnahme ist es, nur noch klimaneutrale Neubauten zu errichten, die den ökologischen Einfluss von Neubauten auf ein Minimum reduzieren.“ (S. 41)

#8: Reduktion der Lebensmittelverschwendung

keine Verschwendung von Lebensmitteln
Themenfeld: Klimafreundliche Lebensweise
„Laut Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft werden in Deutschland jährlich ca. 11 Millionen Tonnen an Lebensmitteln entsorgt. Neben der Art der Ernährung (regional, saisonal, ökologisch), nimmt diese Maßnahme daher eine wesentliche Rolle hinsichtlich einer klimafreundlichen Ernährung ein.“ (S. 122)
Neben einer Öffentlichkeitskampagne soll laut KAP geprüft werden, ob Tausch- und Sharingzentren in der Stadt und den Stadtteilen aufgebaut werden können. Auch geprüft werden soll, wie der Einzelhandel und die Gastronomie zum Spenden überschüssiger Lebensmittel verpflichtet werden können. Auch die Unterstützung lokaler Initiativen wie Foodsharing und konkret eines Foodsharing-Cafés werden vorgeschlagen.

#9: Regionaler Ökostromtarif für Unternehmen

erneuerbare Energie
Themenfeld: Klimaneutrale Unternehmen
Die Wirtschaft spielt eine große Rolle in der Klimabilanz. Wie sich lokale Unternehmen aufstellen, liegt nur bedingt in der Befugnis der Stadt – hat aber einen wichtigen Effekt. Darum sind im Themenfeld auch vor allem indirekte Maßnahmen zu finden, z. B. das Einrichten einer Klima-Servicestelle für Unternehmen: „Um eine breite Wissensbasis zu schaffen, wie sich Unternehmen künftig aufstellen können, sollte der Fokus dieser Stelle auf Vernetzung und Wissenstransfer liegen.“ (S. 48)
Sehr konkret ist hingegen der Vorschlag, einen eigenen Ökostromtarif auf den Weg zu bringen: „Der Tarif muss dabei so ausgestaltetet sein, dass z. B. durch einen Förderbeitrag, der auf den spezifischen Strompreis aufgeschlagen wird, Investitionen in regionale Erneuerbare-Energien-Anlagen getätigt werden.“ Ziel ist dabei, die Unternehmen „[…] auf dem Weg zur Klimaneutralität zu unterstützen […].“ (S. 51)

#10: Optimierung der Stadt-Umland-Beziehungen

Beziehungen zum Umland
Themenfeld: Strategische Maßnahmen
Jena ist eng. Das ist nicht nur bei der notwendigen Verkehrswende eine Herausforderung, sondern auch bei der Bereitstellung grüner Energie. Für Solar- und Windkraft ist Fläche nötig! Der KAP betont hier: „Aufgrund des begrenzten Flächenangebots im Stadtgebiet von Jena, kann eine regionale erneuerbare Energieerzeugung nur in Kooperation mit dem Umland erfolgen. Darüber hinaus gibt es weitere klimarelevante Schnittstellen, die für das Ziel Klimaneutralität berücksichtigt werden müssen (z. B. Mobilität und Pendlersituation).“
„Die Maßnahme zielt darauf ab, eine notwendige Kooperation […] zu verdeutlichen. Dies ist als Querschnittsaufgabe in allen relevanten Themengebieten zu sehen. Im Umland werden Erneuerbare-Energien-Anlagen realisiert, deren Strom dann zum Beispiel für ein regionales Ökostromangebot in der Stadt genutzt werden kann. Im Gegenzug unterstützt die Stadt Jena das Umland durch Anreize und Vergünstigungen […]“ (S.31)
Ziel ist es also, eine Win-Win-Situation herzustellen, in der sowohl die Stadt als auch das Umland von der Zusammenarbeit profitieren und sich anhand der unterschiedlichen Bedingungen und Bedürfnissen ergänzen können.

#11: Tempo-Reduzierung im Straßenverkehr

Temporeduzierung
Themenfeld: Klimaneutrale Mobilität
Im Individualverkehr wird viel CO2 emittiert, dies muss reduziert werden: „Eine wirksame Maßnahme dazu ist die Durchsetzung von Temporeduzierungen. Instrumente wie die Einführung von temporeduzierten Bereichen (z. B. Tempo-30-Zonen) sind in Jena bereits gängige Praxis. Es gilt, im Rahmen dieser Maßnahme weitere Zonen der Stadt im Hinblick auf Temporeduzierung und Verkehrsberuhigung zu identifizieren und umzusetzen.“ (S. 86)
Der KAP begründet, dass Temporeduktion neben dem geringeren Schadstoffausstoß auch in anderer Hinsicht die Lebensqualität verbessert: „Temporeduzierungen und Verkehrsberuhigungen wirken sich nicht nur reduzierend auf Treibhausgas-, sondern auch auf Lärmemissionen aus.“ (S. 86)
Weitere Nebeneffekte: Weniger gefährliche Verkehrssituationen – auch für alle nicht autofahrenden Verkehrsteilnehmenden; eine angenehmere Aufenthaltssituation im Straßenbereich – und ein Anreiz mehr, auf andere Verkehrsarten umzusteigen!

#12: Bessere Anbindung an Regional- und Fernverkehr

Anbindung an Regional- und Fernverkehr
Themenfeld: Klimaneutrale Mobilität
Mit dem Auto nach Jena zu pendeln ist für viele Menschen nötig, aber für das Verkehrssystem der Stadt wie auch für die Klimabilanz nicht zuträglich. Um hier möglichst vielen Menschen den Umstieg auf die Schiene zu ermöglichen, soll Jena besser an Regional- und Fernverkehr angebunden werden: „Bezogen auf den Regionalverkehr erfordert das eine engere Taktung auf den wichtigen Nord-Süd- (Naumburg-Saalfeld) und Ost-West-Verbindungen (Weimar-Hermsdorf), auch an den Wochenenden und in den Nachtstunden.“ (S. 91) Auch im Fernverkehr und für regionale und Fernbuslinien solle sich die Stadt um einen besseren Anschluss bemühen.
Wichtiges Stichwort hierbei: Vertaktung – also möglichst aufeinander abgestimmte Ankunfts- und Abfahrtszeiten im Nah- und Regional/Fernverkehr, damit die sogenannten „intermodalen Wegketten“, gestaffelte Fahrten mit verschiedenen Verkehrsmitteln, durch wegfallende Wartezeiten verkürzt und somit attraktiver werden.

#13: Förderung regionaler Produkte und Dienstleistungen

regionale Erzeugnisse und Dienstleistungen
Themenfeld: Klimafreundliche Lebensweisen
Gemüse aus Spanien, Äpfel aus Neuseeland? Warum nicht aus Dornburg oder Thalbürgel? Es gehört zu den Absurditäten unserer Zeit, dass unsere Produkte mehr von der Welt sehen als wir. Per LKW und Flugzeug kommt ein großer Teil unseres Essens von fern her, statt auf den umliegenden Äckern zu wachsen. Die niedrigen Transportkosten machen es möglich – nicht einbezogen sind aber die Kosten der Folgeschäden für das Weltklima. Dann geht die Rechnung nämlich schon lange nicht mehr auf.
Der KAP meint hierzu: „Wesentlicher Bestandteil einer nachhaltigen und klimafreundlichen Lebensweise ist es, Produkte zu konsumieren (und Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen), die regional erzeugt (bzw. angeboten) werden. Insbesondere im Bereich der Lebensmittelproduktion gibt es hier viele Ansatzpunkte […].“ (S. 123) Die Stadt könne hierzu z. B. die Standgebühren von regional-ökologischen Anbieter:innen reduzieren und Direktvermarktung fördern.
„Zeitgleich ist es wichtig, lokale Dienstleistungen zu fördern/bevorzugen, um die heimische Wirtschaft zu stärken, aber natürlich auch, um lange Fahrtwege zu vermeiden. […] Eine sinnvolle Ergänzung können zudem finanzielle Anreize sein, z. B. durch Gutscheine für regional/ökologisches Einkaufen […] oder durch ein regionales Klimaschutz-Gutscheinbuch […].“

#14: Förderung von Stadtgrün und Aufenthaltsqualität

Klimaanpassung - Stadtgrün fördern
Themenfeld: Klimafreundliche Lebensweisen
Hier gehen Klimaschutz und -Anpassung an die folgen steigender Temperaturen Hand in Hand: Grünflächen in der Stadt tragen signifikant zur Abkühlung bei. Sie verdunsten Wasser und spenden Schatten, was dem (gerade in Jena starken) Wärmeinseleffekt im städtischen Raum entgegenwirkt.
„Dies umfasst nicht nur ästhetische Aspekte in der Stadtgestaltung, sondern hat mit der Entsiegelung von Flächen auch gesundheitliche, klimarelevante und lebensqualitative Einflüsse.“ (S. 125) Explizit soll die Pflege städtischer Grünflächen durch reduziertes Mähen und Förderung der Biodiversität angepasst werden.
Die Maßnahme zur Steigerung der Wohn- und Aufenthaltsqualität geht über diese direkten Effekte noch deutlich hinaus und nennt unter anderem eine Reihe an Maßnahmen, um die Stadtteile abseits des Zentrums attraktiver zu machen (und in der Folge das Pendeln in die Stadt zu reduzieren): „Förderung der stadtteilbezogenen Arbeit von Initiativen, […] Unterstützung/Schaffung von Angeboten wie Stadtteil- und Reparaturcafés, Vernetzungsmöglichkeiten, Gemeinschaftsräumen, Selbsthilfegruppen; Sicherung wichtiger Dienstleistungen im Quartier (Waren des täglichen Bedarfs, Arztpraxen, Pflegedienst, Apotheke, Kitas, Schulen); Schaffung von Gemeinschaftsflächen: Spielflächen, Bewegungsräume, Quartiersgärten“ (S. 130)

#15: Monitoring-Konzept zur Überprüfung der Umsetzung

Monitoring und Anpassung
Themenfeld: Strategische Maßnahmen
Alle Ziele helfen nichts, wenn niemand sie umsetzt! Darum ist im Klima-Aktionsplan ein jährliches Monitoring vorgesehen, also die Überprüfung, dass die Zwischenziele erreicht werden.
„Ferner müssen, ähnlich wie im Bundes-Klima-schutzgesetz (KSG), Prüfkriterien erarbeitet werden, die greifen, sobald die im Klima-Aktionsplan formulierten Ziele verfehlt werden. […] Dabei ist ein sektorales Monitoring auf Grundlage der im Klimaaktionsplan ausgewiesenen Etappenziele (2025, 2030) anzustreben.“ (S. 19) Werden Ziele in einem Bereich verfehlt, „muss innerhalb einer festgesetzten Frist von wenigen Monaten ein Sofortprogramm vorgelegt werden, um das Umsetzungs-defizit zu beseitigen.“ Hier wird also eine Rückkopplung eingebaut, die sicherstellt, dass wir auf dem richtigen Weg bleiben, nämlich Richtung Klimaneutralität 2035!

Wer alle weiteren Maßnahmen und Hintergründe nachlesen will, kann dies hier tun.

COP 27 in Ägypten, Zweijahresgutachten 2022 in Berlin – und nun?

Graffito an der Saalbahn bei Jena-Zwätzen

Graffito an der Saalbahn bei Jena-Zwätzen

Das Graffito habe ich am Sonntag in Zwätzen entdeckt. Dort wurde im Rahmen einer von der Stadt Jena geförderten Aktion eine Lärmschutzwand der Saalbahn mit Graffiti gestaltet. Das Bild symbolisiert für mich sehr schön die momentane Situation bezüglich der Klimakrise: Das Eis schmilzt unter der Hand weg, die Zukunft wird verspielt und der Spieler schaut ganz verdattert, was er da angerichtet hat.
Gleichzeitig findet in Ägypten die jährliche UN-Klimakonferenz statt – inzwischen die 27. Festgestellt wird dort wie auch bei den vorherigen Konferenzen, dass die Ziele, die sich die Länder gestellt haben in der Summe nicht ausreichen, um das Ziel der Pariser Klimakonferenz von 2015 zu erreichen. Die globale Klimaerwärmung wird nach bisherigem Stand der Dinge im Jahr 2100 wohl etwa 2,4 Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau betragen. Erste Stimmen aus der Klimaforschung bekennen, dass das 1,5-Grad-Ziel wohl nicht mehr erreichbar ist, egal welche Anstrengungen unternommen werden.
Das trifft explizit auch auf die Nicht-Erreichung der Klimaziele in Deutschland zu. Im Zweijahresgutachten 2022 des Expertenrates für Klimafragen lautet die zentrale Aussage „Zielerreichung 2030 fraglich ohne Paradigmenwechsel“.
Auf der anlässlich der Vorstellung des Gutachtens stattgefundenen Pressekonferenz sagte der Vorsitzende des Expertenrates, Hans-Martin Henning:

„Wir sehen, dass ein nahezu kontinuierlicher Zuwachs der Aktivitäten in allen Sektoren einschließlich Rebound-Effekten einer technisch möglichen stärkeren Absenkung der Emissionen entgegenwirkte […] Effizienzgewinne wurden also beispielsweise durch das allgemeine Wirtschaftswachstum, größere Wohnfläche oder gestiegene Transportleistungen konterkariert.”

Ratsmitglied Thomas Heimer äußerte:

„Die jährlich erzielte Minderungsmenge müsste sich im Vergleich zur historischen Entwicklung der letzten 10 Jahre mehr als verdoppeln. Im Industriesektor wäre etwa eine 10-fache und bei Verkehr sogar eine 14-fache Erhöhung der durchschnittlichen Minderungsmenge pro Jahr notwendig.“

In der im Gutachten durchgeführten Analyse der Entwicklungen in der jüngeren Vergangenheit „[…] werden die Jahre von 2000 bis 2021 betrachtet, in denen eine Treibhausgasemissionsminderung um 26,6 % bzw. temperaturbereinigt um 27,3 % stattgefunden hat. Dabei hat über den gesamten Zeitverlauf vor allem die Wirtschaftsentwicklung emissionssteigernd gewirkt.“
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Earth4All – ein neues Buch des Club of Rome

Vor 50 Jahren veröffentlichte der Club of Rome seine erste Studie „Grenzen des Wachstums“. Die Autorinnen und Autoren, unter ihnen der norwegische Zukunftsforscher Jorgen Randers stellten darin fest, dass wenn die Menschheit weiter so wächst, produziert, konsumiert und die Umwelt verschmutzt wie bis dahin, sie ihre eigene Lebensgrundlage zerstören wird. Heute, 50 Jahre später hat Randers gemeinsam mit weiteren Autoren in der Bundespressekonferenz wiederum ein Buch des Club of Rome vorgestellt: „Earth4All“. Darin werden sofortige drastische Schritte für eine lebenswerte Zukunft gefordert. Ein „weiter so“ würde zu einem Zusammenbruch ganzer Regionen führen und ohne eine Umverteilung des Reichtums lasse sich die Klimakrise nicht lösen. Weiterlesen