November – der Nebelmonat. Aber auch der Monat der Castor-Transporte nach Gorleben. Und damit auch der Monat des Widersetzens der Bewohner des Wendlands und vieler anderer Menschen, die sich mit ihnen solidarisch verbunden fühlen. Auch Mitglieder der Zukunftswerkstatt waren heute im Wendland zur Demonstration gegen die fortdauernde Nutzung der Atomenergie. Gemeinsam mit über 15.000 Menschen haben wir anlässlich des diesjährigen Castor-Transportes darauf aufmerksam gemacht, dass es nach wie vor keine Lösung für ein Endlager des radioaktiven Mülls der Kraftwerke gibt.
Die Argumente für und wider die Kernenergie wurden bereits so oft genannt, dass sie hier nicht wiederholt werden sollen. Interessenten seien auf unsere Energiethesen verwiesen. Dennoch seien mir einige Gedanken gestattet, die mir bei der diesjährigen Demonstration durch den Kopf gingen.
Da war einmal ein auffälliger Gegensatz, der mir in dieser Schärfe bisher noch nicht bewusst gewesen war: Die Polizei hielt sich diesmal auffällig zurück. Sowohl, was ihre sichtbare Präsenz im weiteren Umfeld von Gorleben anging als auch bezüglich ihrer Haltung gegenüber den DemonstrantInnen. Entspannung war wohl angesagt. Auch unmittelbar am Rand der Demonstrationsstrecke von Dannenberg in Richtung Gedelitz zum Zwischenlager. Beim letzten mal standen die PolizistInnen quasi „Spalier“ am Straßenrand. In voller Montur, Gesicht leicht zur Faust geballt, Blick streng gerade aus. Heute standen die PolizistInnen in Gruppen zurückgezogen im Wald bzw. im Feld, jeweils einige Meter vom Straßenrand entfernt.
Damit erschienen sie wie kleine, wehrhafte Blöcke, die durchaus können, wenn sie müssen (wollen?). Geradezu bildhaft hatte ich den Eindruck von Geschlossenheit, von Exaktheit, von Kampfgeist, von Koordination. Eben militärisch – oder muss ich polizistisch sagen?
Im krassen Gegensatz dazu die DemonstrantInnen: Bunt, überhaupt nicht koordiniert oder exakt, fast chaotisch, eben individuell. Kann sich eine solche „bunte Truppe“ erfolgreich widersetzen? Widerständisch sein gegen eine koordinierte Staatsmacht? Wohl eher nicht, oder doch?
Ich glaube ja, gerade weil die DemonstrantInnen bunt und individuell sind. Das heißt, sie sind kreativ, sie lassen sich immer etwas anderes einfallen. Und wenn jemand eine Idee hat, die gut ist und sich bewährt, machen spontan viele andere mit, weil sie die Idee als gut erkennen und weil sie gerade nicht an irgendeinen Befehl gebunden sind, der das verhindern könnte. Damit entsteht auch eine Koordination. Jedoch keine befohlene, sondern eine, die als sinnvoll empfundene Ideen und Aktionen verstärkt. Selbstorganisiert eben.
Ich bin der festen Überzeugung, dass diese Art der Organisation einer Hierarchie letztendlich überlegen ist, weil sie flexibler reagieren und sich besser auf Veränderungen einstellen kann. Wenngleich der Umgang mit ihr aufreibend und langwierig ist, denn Befehle erteilen kann hier niemand.
Auch dieser Castor-Transport wird wohl in wenigen Tagen im Zwischenlager ankommen. Die PolizistInnen werden froh sein, wieder „normal“ ihren Dienst versehen zu können. Die Bewohner des Wendlandes und viele ihrer SympathisantInnen werden kreativ neue Möglichkeiten finden, um sich dem Profitstreben der Atomkonzerne, welches mit Hilfe der geballten Staatsmacht gesichert werden soll, zu widersetzen und auf die ungelösten Probleme der Atomenergie aufmerksam zu machen. Auf meine Sympathie und Unterstützung können sie dabei zählen.