Quantifizierung der Wechselwirkung ionisierender Strahlung mit Materie

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Aktivität 

Unter der Aktivität versteht man die Anzahl der Kernumwandlungen pro Zeiteinheit


Aktivität = 
 Anzahl der Kernumwandlungen

Zeit

Das Maß für die Aktivität ist im SI-System das Bequerel. Dabei entspricht ein Bequerel einem Zerfallsereignis (Kernumwandlung) pro Sekunde.

1 Bq = 1 s-1

Analog entsprechen beispielsweise 1000 Kernumwandlungen pro Sekunde einer Aktivität von 1000 Bq, also 1 KBq.

Da eine Kernumwandlung weitere Prozesse zur Folge haben kann, muss bei der Angabe der Aktivität immer mit angegeben werden, ob man die Gesamtaktivität meint (Ausgangsprozess einschließlich aller Folgeprozesse) oder die Aktivität der Ausgangssubstanz.


Halbwertszeit 

Bei dem Versuch, den Prozess des Kernzerfalls quantitativ zu fassen, gibt einige Schwierigkeiten. Insbesondere ist es so, dass keine Aussage getroffen werden kann, wann für einen bestimmten Kern das Zerfallsereignis eintritt. Dieses kann im nächsten Moment aber auch erst in einigen tausend Jahren eintreten. Wie will man angesichts dieser Tatsache eine Aussage über die Aktivität machen?

Man versucht es deshalb auch gar nicht erst, für einen Atomkern eine Aussage zu treffen. Aussagen sind nur in Form von Wahrscheinlichkeitsangaben für eine große Anzahl von Atomkernen möglich. Man bestimmt zu diesem Zweck die sogenannte Halbwertszeit. Das ist die Zeit, nach der die Hälfte aller Atomkerne zerfallen ist. Sie hat für jedes Radionuklid eine charakteristische Größe und kann von Sekundenbruchteilen bis zu Jahrtausenden betragen.


Element Halbwertszeit Zerfallsart
Uran-238 4,47 10 9 Jahre Alpha
Kalium-40 1,28 10 9 Jahre Beta-Minus, K-Einfang
Plutonium-239 2,41 10 4 Jahre Alpha
Cäsium-137 3,17 Jahre Beta-Minus
Jod-131 8,02 Tage Beta-Minus
Thorium-231 25,5 Stunden Beta-Minus
Radon-220 55,6 Sekunden Alpha
Polonium-214 1,64 10 -4 Sekunden Alpha

Die Halbwertszeit für das Nuklid Wasserstoff-3 (Tritium) ist in der nachfolgenden Grafik dargestellt.

Halbwertszeit Halbwertszeit des Nuklids Wasserstoff-3 (Tritium)*

Mit Hilfe der Halbwertszeit kann man also die Aktivität eines Radionuklids und deren Entwicklung sinnvoll beschreiben.

Es ist jedoch noch keine quantitative Aussage über die Wechselwirkung der Strahlung mit anderer Materie möglich. Hierzu wird folgende Überlegung zugrundegelegt.


Energiedosis 

Wechselwirkung von Kernstrahlung mit Materie bedeutet letztlich immer, dass die Energie der Kernstrahlung von dem die Strahlung absorbierenden Material aufgenommen wird. Durch welche Prozesse das geschieht, wurde im vorigen Kapitel beschrieben.

Um diese Vorgänge quantitativ fassen zu können, definiert man die Energiedosis. Sie gibt die pro Masseneinheit eines durchstrahlten Stoffes absorbierte Energie an.


Energiedosis = 
 Absorbierte Strahlungsenergie

Masse

Der Name der Maßeinheit der Energiedosis ist das Gray (Gy). 1 Gy ist demnach 1 J/Kg.

Mit der Energiedosis kann ganz allgemein die Wechselwirkung von Strahlung mit Materie quantitativ beschrieben werden. Für biologische Objekte reicht das jedoch in dieser Allgemeinheit nicht aus. Es hat sich nämlich gezeigt, dass bei lebendem Gewebe die Wechselwirkungseffekte bei gleichen Energiedosen aber unterschiedlichen Strahlenarten voneinander abweichen. Werden von zwei gleichen biologischen Objekten das eine von Alphastrahlen und das andere mit Betastrahlen so bestrahlt, dass beide die gleiche Energiedosis aufgenommen haben, so zeigt sich, dass die durch die Alphastrahlen hervorgerufenen biologischen Wirkungen etwa 20 mal größer sind als die durch die Beta-Strahlen verursachten Wirkungen.

Dieses Ergebnis ist durchaus plausibel. Ist doch die durch die Alpha-Strahlung erzeugte dichte Ionisierung in einem kleinen Bereich sehr viel schädlicher als die gleiche Anzahl von Ionisierungen in einem größeren Bereich, wie sie bei der Beta-Strahlung der Fall ist.


Organdosis 

Um diese Effekte zu berücksichtigen wurde ein sogenannter Strahlungs-Wichtungsfaktor eingeführt. Dieser berücksichtigt, je nach Art und Energie der Strahlung, die entsprechende Schadenswirkung. Die Festlegung der Wichtungsfaktoren beruht auf entsprechenden Messungen und ist durchaus nicht unumstritten.


Strahlenart und Energiebereich Strahlungs-Wichtungsfaktor
Photonen (alle Energien) 1
Elektronen, Myonen (alle Energien) 1
Neutronen
< 10 KeV
10 KeV bis 100 KeV
> 100 KeV bis 2 MeV
> 2 MeV bis 20 MeV
> 20 MeV

5
10
20
10
5
Protonen, außer Rückstoßprotonen
(Energie > 2 MeV)
5
Alphateilchen, Spaltfragmente, Schwere Kerne 20

Um nun diese unterschiedliche Wirkung auf einen Organismus zu berücksichtigen definiert man die sogenannte Organdosis. Man verwendet dazu die mittlere Energiedosis, die von dem jeweiligen Organ bzw. Gewebe aufgenommen wurde, multipliziert diese mit dem Wichtungsfaktor der jeweiligen Strahlungsart und summiert alle Anteile. Wurde beispielsweise eine Probe mit einer Energiedosis von 1*10-3 Gy bestrahlt und erfolgte die Bestrahlung mit Alpha- und Betastrahlung, so muss für die Berechnung der Organdosis gerechnet werden:

H = 1*10-3 Gy + 20 * 10-3 Gy

Der erste Summand beschreibt die Wirkung der Beta-Strahlung (Wichtungsfaktor 1), der zweite die der Alpha-Strahlung (Wichtungsfaktor 20).

Für die Organdosis wurde die Einheit Sievert (Sv) definiert. Genau genommen darf, auf Grund deren genauen Herleitung, diese Einheit nur für die Bestrahlung von Personen und nur für Werte bis 1 Sv verwendet werden. Die Einheit Gray kann dagegen universell verwendet werden.


Effektive Dosis 

Mit der eben dargestellten Organdosis kann also die Wechselwirkung unterschiedlicher ionisierender Strahlung auf Körpergewebe recht gut quantitativ beschrieben werden. Aber die Praxis zeigt, dass auch das noch nicht ausreicht. Das Problem besteht darin, dass eine Strahlenschädigung unseres Körpergewebes durchaus unterschiedliche Auswirkungen hat.

So ist es bestimmt einzusehen, dass es nicht dasselbe ist, ob unsere Keimdrüsen bzw. unser Knochenmark oder unsere Fingernägel bzw. Haare bestrahlt werden. Je nachdem, welches Organ bestrahlt wurde, liefert das Ergebnis unterschiedliche Beiträge dazu, mit welcher Wahrscheinlichkeit wir in der Folge an Krebs oder Leukämie erkranken oder unsere Nachkommen an Missbildungen leiden.

Man hat deshalb zur Berücksichtigung dieser Tatsachen eine sogenannte Effektivdosis eingeführt. Diese Effektivdosis stellt ein Maß für das gesamte Strahlenrisiko dar und berücksichtigt Wichtungsfaktoren für das jeweilige bestrahlte Gewebe. Diese Gewebe-Wichtungsfaktoren wurden von der Internationalen Strahlenschutzkommission im Jahr 1991 eingeführt.


Gewebe bzw. Organe Gewebe-Wichtungsfaktor
Gonaden 0,20
Dickdarm 0,12
rotes Knochenmark 0,12
Lunge 0,12
Magen 0,12
Blase 0,05
Brust 0,05
Leber 0,05
Schilddrüse 0,05
Speiseröhre 0,05
Haut 0,01
Knochenoberfläche 0,01
andere Organe und Gewebe 0,05

Die Summe aller Gewebe-Wichtungsfaktoren entspricht also dem gesamten Körper und ist demnach 1. Werden nur Körperteile bestrahlt, müssen also die entsprechenden Wichtungen mit berücksichtigt werden. Diese Betrachtung ist ebenfalls wichtig bei der Überlegung, welche Körperteile zuförderst zu schützen sind.

Ein weiteres Problem, welches an dieser Stelle noch nicht betrachtet wurde, ist die Frage, ob die Strahlungsquelle extern oder intern ist. Für externe, also außerhalb des menschlichen Körpers befindliche Strahlungsquellen wäre die bisherige Betrachtung ausreichend. Wenn die Dauer der Strahlenexposition und die Art der Strahlung bekannt ist, kann eine Aussage über die Belastung vorgenommen werden. Für eine interne Strahlungsquelle, wenn beispielsweise radioaktiver Staub eingeatmet wurde, ist das nicht so einfach möglich. Hier ist vor allem die Dauer der Strahlungsbelastung nicht ohne Weiteres anzugeben. Noch komplizierter wird es, wenn beispielsweise Radionuklide in den Organismus eingebaut werden. Chemisch unterscheiden sich die Atome ja nicht voneinander...

Für die Bewertung dieser Belastungen wurde die Größe der Folgedosis definiert, auf die an dieser Stelle jedoch nicht weiter eingegangen werden soll.

Die Abbildungen stammen aus Kernenergie Basiswissen von Martin Volkmer, Informationskreis Kernenergie, 2003