Energiegleichgewicht oder ökologische Grenzen des Wachstums

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Das energetische Gleichgewicht der Erde 

Am Ende der vorigen Seite stand die Frage, ob wir die Kernenergie zwingend brauchen oder ob es denn, bei gleicher Lebensqualität, vielleicht auch ohne sie gehen könnte.

Bei der Suche nach einer Antwort sei auf einen physikalischen Sachverhalt verwiesen, der vielleicht erst einmal gar nichts mit der Kernkraft zu tun hat, aber doch für diese Frage bedeutsam ist.

Die Problemstellung wurde von K. M. Meyer-Abich bereits 1972 veröffentlicht. (K. M. Meyer-Abich, Die ökologische Grenze des Wirtschaftswachstums, Umschau 72 (1972) Heft 20)

Dabei wird eine prinzipielle Grenze bei der sinnvollen Verwertbarkeit der vorhandenen Energie gesehen, die beispielsweise durch Brutreaktoren im Überfluss verfügbar sein könnte. Die Grenze besteht darin, dass die anthropogene (vom Menschen verursachte) Energieproduktion, wenn sie einen merklichen Anteil der natürlichen Energiezufuhr von der Sonne erreicht, untragbare klimatische Veränderungen nach sich ziehen könnte.

Mit anthropogener Energieproduktion ist in diesem Fall der Primär-Energieträger-Verbrauch gemeint, also der gesamte Energieverbrauch einschließlich aller Transformationsverluste, jedoch ohne die direkte Verwertung der unmittelbar eingestrahlten Sonnenenergie (z. B. Windkraft, Wasserkraft, Fotovoltaik, Gezeitenenergie, ...).

Als Faktoren, die dabei ein Kippen des globalen Klimas verursachen könnten, kommen folgende Zusammenhänge in Frage:

  • Erhöhung des Kohlendioxidanteils der Atmosphäre aus der Verwertung fossiler Energieträger (Kohle-, Öl- und Gasverbrennung)
  • Emission von Aerosolen, ebenfalls resultierend aus der Verwertung fossiler Energieträger (v. a. Staub aus der Kohleverbrennung)
  • direkte Aufheizung der Atmosphäre aus der Verwertung jeglicher Energieträger

Die Problematik des CO2-Anteils an der Zusammensetzung unserer Atmosphäre ist seit vielen Jahren in der Diskussion und ein Schwerpunkt wissenschaftlicher Forschung. An dieser Stelle soll deshalb nicht genauer auf diese Problematik eingegangen werden.

Als Fazit der bisherigen Diskussion der CO2-Problematik und als ein Indiz dafür, dass zumindest die Problemstellung international beachtet wird, sie an dieser Stalle nur das Protokoll der Konferenz von Kyoto angeführt, welches Szenarien zur Senkung der CO2-Emission und Obergrenzen für einzelne Länder festlegt. Die Tatsache, dass das Protokoll dieser Konferenz bis heute (April 2004) nicht ratifiziert wurde, weil einige Länder sich weigern, solche Grenzen zu akzeptieren, soll an dieser Stelle nicht kommentiert werden.

In der Diskussion um die gesamte Problematik Energie und Umwelt hat sich bis heute die Diskussion um die CO2-Emission als ein Schwerpunkt herauskristallisiert. So führen insbesondere die Befürworter von Kernkraftwerken als ein wichtiges Argument die Tatsache ins Feld, dass bei der Energieerzeugung durch Kernkraft kein CO2 in die Atmosphäre emittiert wird.

Diese Aussage ist für sich genommen zwar richtig, aber eben nur ein Teil der Wahrheit. So negiert diese Aussage, dass für die Gewinnung und Aufbereitung des Kernbrennstoffes sowie für seine Wiederaufarbeitung sehr wohl CO2 freigesetzt wird. Hinzu kommt die Tatsache, dass andere Formen der Energienutzung, beispielsweise Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen, bezogen auf die am Ende tatsächlich genutzte Energie, insgesamt durchaus vergleichbar wenig bzw. sogar weniger CO2 freisetzen. Weitere Informationen sind im WWW über Suchmaschinen leicht zu finden. Als Beispiel für eine Fundstelle sei folgender Link angeführt:

.ausgestrahlt: "Atomkraft - Irrweg in der Klimakrise"; Zugriff am 09.07.2024

Das Problem der Emission von Aerosolen ist mit dem der CO2-Emission eng verknüpft und ebenfalls in der Diskussion. Deshalb soll es hier nicht weiter betrachtet werden.


Aufheizung der Atmosphäre als Ergebnis jeglicher anthropogener Energieumwandlung 

Anders verhält es sich mit dem von K. M. Meyer-Abich angesprochenen dritten Faktor, der direkten Aufheizung der Atmosphäre aus der Verwertung jeglicher Energieträger. Dieser Aspekt ist bisher kaum in der Diskussion zu finden und soll deshalb etwas genauer erläutert werden.

Hintergrund der Problematik ist die Tatsache, dass letztlich die übergroße Menge der von Menschen genutzten Energie in Form von Wärme frei wird. Das betrifft Umwandlungsverluste genauso wie beispielsweise die für Heizung genutzte Energie oder den größten Teil der für Transportzwecke eingesetzten Energie. Ein Fahrzeug, welches Personen oder Güter von einem Ort zu einem anderen transportiert, wird, solange sich der Zielort nicht höher als der Ausgangsort befindet, die gesamte eingesetzte Energie letztlich in Wärme umsetzen. Beim Herstellungsprozess von Werkstücken wird nur ein geringer Bruchteil der eingesetzten Prozessenergie in Form von "Umwandlungsarbeit" im Endprodukt verbleiben. Der größte Teil wird wieder als Wärme an die Umwelt abgegeben, beispielsweise beim Abkühlen eines Schmiedeteils. Auch beim Kochen beispielsweise: Was bleibt von der eingesetzten Energie? - Im wesentlichen Abwärme.

Insgesamt geht also neben den Umwandlungsverlusten auch fast die gesamte gewonnene Nutzenergie letztlich in Wärme über. Ausnahmen sind relativ kleine Beträge, wie sie bei synthetischen Produkten als Bindungsenergie oder in Bauwerken als "gestapelte" potentielle Energie gespeichert sind. Und das auch nur solange, wie die Produkte nicht wieder zerfallen. Allgemein kann man sagen, dass jegliche Strukturierung von Material Energie erfordert und diese in Wärme der Umwelt übergeht.

Um eine Abschätzung treffen zu können, wie sich die anthropogene Wärmefreisetzung auf den globalen Energiehaushalt auswirkt, muss man zuerst einmal wissen, auf welchem Gleichgewichtsniveau sich dieser befindet. Nach Meyer-Abich wird die Erde von der Sonne mit einer Leistung von 1,78 1014 KW bestrahlt und gibt ebensoviel wieder nach außen ab. Kommt noch eine künstliche Energieproduktion hinzu, wird sich das Gleichgewicht verschieben.

Auf die Erdoberfläche verteilt entspricht diese natürliche Energiezufuhr im Mittel etwa 348 W/qm. Davon werden 33 % (116 W/qm) sofort reflektiert und 22 % (77 W/qm) von der Atmosphäre absorbiert und wieder abgestrahlt. 45 % (157 W/qm) erreichen die Erdoberfläche. Ein Drittel davon wird direkt wieder abgestrahlt, zwei Drittel zunächst durch Konvektion und Verdunstung an die Atmosphäre abgegeben und von dieser wieder abgestrahlt.

Wie wirkt sich nun eine zusätzliche Energiezufuhr auf das klimatische Gleichgewicht aus? Meyer-Abich zitiert ein Modell, in dem das Verhalten der Erdatmosphäre für einen Wintermonat (Januar) simuliert wird:

"Nachdem sich in diesem Modell die normalen Verhältnisse eingespielt hatten, wurde über dem gesamten Festland eine Wärmeproduktion von 24 W/qm [simuliert] (etwa 10% der Sonnenenergiezufuhr über den Kontinenten, also etwa einem Drittel der Erdoberfläche). Dadurch stieg die mittlere Temperatur sofort um 2°C, als Sättigungswert um 5°C, herbeigeführt also durch eine globale Energieproduktion von 3 % der natürlichen Energiezufuhr verglichen mit dem normalen Verlauf (Kontrollexperiment)."

Im Weiteren zitiert Meyer-Abich weitere Untersuchungen mit ähnlichem Ergebnis. Letztlich kommt er zu dem Schluss, dass

"nach derzeitigem Wissen [...] zu erwarten [ist], dass je 1% Änderung der Energiezufuhr an das System Erde + Atmosphäre Temperaturänderungen um 1 bis 1,5°C eintreten und das bereits Änderungen um einige Grad Celsius die Lebensbedingungen der Biosphäre spürbar beeinträchtigen werden. Sowie die künstliche Energieproduktion auf der Erde die Größenordnung einiger Prozent der Sonnenenergiezufuhr erreicht ist also mit voraussichtlich nicht akzeptablen Änderungen der klimatischen Verhältnisse zu rechnen."


Konsequenzen für die Kernkraft 

Dieser Einschätzung ist aus physikalischer Sicht nichts hinzuzufügen. Die Krux dabei ist jedoch, dass es für das Energieproblem keine technischen Lösungen gibt. Das CO2-Problem oder das Problem der Ernährung der Menschen könnte durchaus mit Hilfe technischer Entwicklungen gelöst werden. Das Energieproblem jedoch nicht.

In der Konsequenz bedeutet das die Existenz einer Wachstumsgrenze. Es geht nicht immer "weiter so". Die Frage lautet also nicht, wie erzeugen wir die benötigte Energie, sondern sie lautet letztlich: Wie kommen wir mit der vorhandenen Energie aus?

Und wenn man einmal dabei ist, kann die Frage gleich weiter gestellt werden: Da der anthropogene Energieumsatz insgesamt deutlich kleiner als 1% des globalen Gleichgewichts sein sollte, warum nutzt man dann nicht auch im Wesentlichen unmittelbar die solaren Energiequellen wie Wasser- und Windenergie sowie Fotovoltaik. Wozu ist dann noch die mit hohen Risiken behaftete Kernkraft nötig?

Angesichts dieser Sachlage bleibt eigentlich nur eine Konsequenz: Danken wir wem auch immer, dass der "ganz große Gau" bisher nur in Tschernobyl aufgetreten ist und nicht im wesentlich dichter besiedelten Mitteleuropa. Provozieren wir nicht die Statistik und fahren alle Kernkraftwerke sinnvoll herunter, begrenzen den für unsere Nachwelt bereits angerichteten Schaden und suchen intensiv nach Lösungen, diese Technik gefahrlos zurück zu bauen.

Offen bleibt aber noch eine andere Frage: Welche Möglichkeiten haben wir denn angesichts der physikalischen Tatsachen, eine vernünftige Lebensqualität zu sichern? Müssen wir in Zukunft im Winter frieren und im Dunkeln sitzen? Wird warmes Wasser aus der Leitung zum Luxus? Sind Urlaubsreisen nur noch virtuell möglich?