Die Energiebilanz

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Sind wir auf Kernkraftwerke zwingend angewiesen, um unsere Lebensqualität zu sichern? 

Grundsätzlich kann man sich sicher darauf einigen, auf die gewohnte Lebensqualität nicht verzichten zu wollen. Ich persönlich möchte weder auf die Fernbeheizte Wohnung einschließlich dem (fast) immer vorhandenen Warmwasser, noch auf eine individuelle Reisemöglichkeit zu einer mir genehmen Zeit oder moderne Haushalts- bzw. Küchentechnik verzichten. Im Gegenteil, ich würde mir für viele Situationen durchaus mehr Komfort wünschen ...

Kann man unter dieser Prämisse, die bitteschön weltweit, also für alle Bewohner dieser Erde gelten soll, auf Kernkraft verzichten? Ich behaupte an dieser Stelle, man kann nicht nur, sondern man muss sogar auf Kernkraft verzichten, wenn man die gewohnte Lebensqualität beibehalten und steigern möchte.

Weiter oben wurde festgestellt, dass wir letztlich mit dem anthropogen verursachten Energieumsatz deutlich unter einem Prozent des globalen Energiegleichgewichts bleiben müssen. Da jede Umwandlung von einer Energieform in eine andere mit Verlusten im Sinne der Nichtverwendbarkeit dieser Umwandlungsverluste verbunden ist, sollten unnötige Umwandlungen möglichst vermieden werden. Das bedeutet, dass wir die benötigte Energie im Idealfall genau in der Form bereitstellen müssen, in der sie auch benötigt wird.


Die Struktur des Endenergieverbrauchs 

Betrachtet man die momentan tatsächlich benötigten Energien bezüglich der Form, in der diese benötig werden, so stellt man fest, dass Elektroenergie nur einen relativ geringen Teil ausmacht:


  Öl u. a. Kraft-stoffe Gas Strom Fern-wärme Kohle u. a. EEV gesamt Anteil
Raumwärme 34,3 0,3 46,4 4,3 9,3 7,5 102,1 32,4%
Prozesswärme 9,4 0,0 37,1 16,4 2,1 14,2 79,2 25,2%
mech. Energie 0,1 91,7 0,4 34 0 0,8 127 40,4%
Beleuchtung 0,4 0,3 0,1 6 0 0,0 6,4 2,0%
Summe 43,8 92,3 84 60,7 11,4 22,5 314,7 100%
Anteil 13,9% 29,3% 26,7% 19,3% 3,6% 7,2% 100%  

Tabelle: Endenergieverbrauch (Mio. t SKE) im Jahr 2002 insgesamt in der Bundesrepublik nach: VDEW-Materialien M 19/2003

Für das Jahr 1998 sind Werte in der nachfolgenden Grafik dargestellt.

Endenergieverbrauch

nach: BMWi, VDEW, AG Energiebilanzen (Energie im Wandel, 2000, Abb. 6)

Unter Raumwärme werden in der Tabelle die unmittelbare Raumheizung, aber auch Klimatisierung der Räume und die Warmwasserbereitung, beispielsweise zum Duschen, verstanden. Zu Prozesswärme zählen industrielle Prozesse wie Metallschmelzen ebenso wie das Kochen im Haushalt. Zu mechanischer Energie rechnet man alle unmittelbaren motorischen Leistungen, beispielsweise beim Transport aber auch beim Kühlen oder in Aufzügen. Zur Beleuchtung zählen hier auch Aufwendungen für die Kommunikation und die Steuerung von Prozessen.

Interessant ist, dass Strom nur zu knapp 20% als Energieform zur Anwendung kommt. Der größte Anteil am Endenergieverbrauch stammt von Öl, Kraftstoffen und Gas. Des Weiteren ist bemerkenswert, dass immerhin fast ein Drittel des gesamten Endenergieverbrauchs für Raumwärme aufgewendet wird. Hier bietet sich durch Verbesserung der Wärmeisolation von Gebäuden ein grundsätzlicher Ansatz zur Energieeinsparung.

Andererseits ist bekannt, dass bei der Erzeugung von Strom zum größten Teil Wärmetechnische Prozesse verwendet werden: Dampferzeugung durch Kohle-, Öl- oder Gasfeuerung bzw. durch Kernreaktoren und Umwandlung des Dampfes vermittels Turbinen in elektrische Energie. Der Wirkungsgrad solcher Kraftwerke beträgt etwa ein Drittel. Da solche Kraftwerke, insbesondere die Kernkraftwerke vor allem in großen Einheiten Elektroenergie erzeugen, fallen riesige Wärmemengen an, die nur zum Bruchteil genutzt werden können, beispielsweise als Fernwärme. Diese Wärmemengen heizen also nur die Umwelt auf und sind ein Beispiel für die oben angeführten Umwandlungsverluste.


Die Energiebilanz in Deutschland 

Nach Angaben der RWE für die Bundesrepublik 1995 betrug der Primärenergieeinsatz 15355  PJ (1 Mio. t  SKE entsprechen etwa 30 PJ). Das ist die insgesamt im Jahr 1995 in der Bundesrepublik Deutschland aufgewendete Energiemenge. Bei der Umwandlung dieser Energie in andere Energieformen, insbesondere in Kraftwerken zur Erzeugung von Elektroenergie, traten Verluste in Höhe von 3987 PJ auf. Das entspricht etwa 26% des Primärenergieeinsatzes. Die am Ende beim Verbraucher tatsächlich verwendete Energie beträgt 9322 PJ. Aber auch beim Endverbraucher treten natürlich Verluste auf: 4622 PJ, das sind bezogen auf die eingesetzte Primärenergie immerhin weitere 30%. Solche Verluste entstehen beispielsweise durch Standby-Schaltungen von Heimelektronikgeräten oder durch ineffiziente Kühlschränke, schlechte Wärmeisolierungen usw. In der Grafik ist das Energieflussbild für die beschriebene Situation dargestellt. Da das Bild sehr komplex ist, ist es hier nur verkleinert wiedergegeben. Durch Anklicken des Bildes kann die Originalgrafik heruntergeladen werden (knapp 400 Kbyte!) - zurück zu dieser Seite gelangt man dann durch die "Zurück-Schaltfläche" des Browsers.

Grafik Energieflussbild

Etwas übersichtlicher, jedoch nicht so detailliert, ist dieser Zusammenhang in der nachfolgenden Grafik dargestellt.

Energiebilanzen

nach: BMWi, VDEW, AG Energiebilanzen (Energie im Wandel, 2000, Abb. 2)

Das Minimieren der Verluste, die insgesamt immerhin 56% betragen, ist letztlich die einzige Möglichkeit, einerseits möglichst viel Energie für die Sicherung einer adäquaten Lebensqualität zur Verfügung zu haben und andererseits den anthropogenen Einfluss auf das globale energetische (und damit klimatische) Gleichgewicht so gering wie möglich zu halten. Erzeugen wir einfach mehr Energie, verschiebt sich das globale Gleichgewicht. Verringern wir die Verluste nicht, schöpfen wir die Möglichkeiten, Energie für die Sicherung unserer Lebensbedürfnisse zur Verfügung zu haben, nur mangelhaft aus. Denn, wie bereits gesagt, verzichten wollen wir nicht unbedingt.


Konsequenzen für Kernkraftwerke und Alternativen 

Was bedeutet das nun bezüglich der Kernkraft? KKW erzeugen faktisch nur Elektroenergie. Tatsächlich entsteht aber im Reaktor Wärmeenergie, aus der letztlich die Elektroenergie erzeugt wird. Der Wirkungsgrad eines solchen Systems liegt insgesamt gutwillig bei etwa 0,35 bis 0,4. Die restliche Wärmeenergie wird an die Umwelt abgegeben, entweder an einen Fluss, oder vermittels riesiger Kühltürme an die Luft. Eine sinnvolle Nutzung der Abwärme ist nicht möglich, weil das viel zu viel Wärme ist und diese nicht über längere Strecken zu eventuellen Verbrauchern geleitet werden oder etwa gespeichert werden kann.

Die erforderliche Kühlung kann sogar zum Problem werden: Im Sommer 2003 mussten einige KKW, insbesondere solche mit Flusskühlung, ihre Leistung reduzieren, weil der Wasserstand der Flüsse so niedrig und deren Wassertemperatur so hoch war, dass ein gesicherter Betrieb bei üblicher Leistung nicht mehr gewährleistet war.

Diese Abwärme, Umwandlungsverluste bei der Erzeugung von Elektroenergie, sind ein Teil der oben erwähnten 26% Verlust auf dem Weg von der eingesetzten Primärenergie zu der Energie, die beim Endverbraucher ankommt. Sie sollte vermieden werden. Bei Kernkraftwerken - und ebenso bei anderen Großkraftwerken - ist dieser Verlust aber prinzipiell unvermeidbar. Es sei denn, ein Wärmegroßverbraucher ist gleich mit angeschlossen. Solche Großverbraucher sind mir jedoch nicht bekannt. Und über lange Strecken transportieren oder speichern lässt sich die Wärme auch nicht.

Eine Lösung besteht darin, kleine Kraftwerkseinheiten zu verwenden, deren Abwärme sinnvoll vor Ort genutzt werden kann. Das Prinzip solcher Kraftwerke bezeichnet man als Kraft-Wärme-Kopplung (KWK). Sie sind so dimensioniert, dass die bei der Erzeugung der Elektroenergie anfallende Wärme als Nutzwärme vor Ort verwendet werden kann. In vielen Fällen sind das per Fernwärme beheizte Gebäude oder Niedertemperatur-Prozesswärme für die Industrie, beispielsweise Bäckereien oder Wäschereien. In diesem Fall ist es möglich, bezogen auf die Nutzung der Primärenergie, deutlich bessere Wirkungsgrade zu erreichen. Diese liegen in der Größenordnung von 0,65 bis 0,70.

Hinzu kommt ein weiterer Vorteil: Kraft-Wärme-Kopplungs-Kraftwerke sind naturgemäß so dimensioniert, dass eine örtliche Versorgung realisiert werden kann. Das bedeutet andererseits, dass relativ viele kleine Einheiten benötigt werden. Diese sind dezentral angeordnet, wohl aber untereinander vernetzt. Fällt solch ein Kraftwerk einmal aus, so können andere die fehlende Energieerzeugung leicht über das Netz kompensieren. Fällt eine solch große Einheit, wie ein Kernkraftwerk aus, muss die fehlende Leistung natürlich ebenfalls kompensiert werden. Das Netz muss dafür jedoch deutlich größer dimensioniert sein, um die fehlende Leistung wettzumachen. Ein kleiner dimensioniertes Netz bedeutet darüber hinaus sicher auch weniger Verluste.

Ein Kernkraftwerk kann technisch bedingt nicht innerhalb kurzer Zeit hoch- und wieder heruntergefahren werden, sondern ist permanent am Netz und bedient damit die so genannte Grundlast. Verursacht wird diese durch Verbraucher, die Elektroenergie rund um die Uhr benötigen. Dazu zählen beispielsweise Industrieanlagen im Schichtbetrieb, Kühlanlagen aber auch Elektrogeräte, die im Standby-Betrieb arbeiten. Damit, wenn einmal eine oder vielleicht auch mehrere solcher Kraftwerke, die die Grundlast bedienen, ausfallen, nicht gleich alles zusammenbricht, ist die Kraftwerkskapazität, die in Deutschland installiert ist, deutlich überdimensioniert. Würde man die Elektroenergieerzeugung von wenigen großen auf viele kleine Erzeuger umstellen, könnte man diese Überkapazitäten deutlich verringern, weil die Wahrscheinlichkeit, dass viele kleine Kraftwerke gleichzeitig ihren Dienst versagen deutlich geringer ist, als bei einem großen Kraftwerk.

Inzwischen sind auch Kraft-Wärme-Kopplungs-Einheiten entwickelt worden, die für die Versorgung von Mehrfamilienhäusern dimensioniert sind. Werden solche Anlagen kombiniert mit Sonnenkollektoren für die Wärmegewinnung, mit guter Wärmeisolation der Gebäude, mit Fotovoltaikanlagen und durch eine intelligente Haustechnik gesteuert, so erreicht man eine exzellente Ausnutzung der eingesetzten Primärenergie. Zudem können solche Anlagen nach Bedarf schnell zu- und auch wieder abgeschaltet werden. Die Grundlast kann damit gesenkt und beispielsweise von größeren Wasserkraftwerken, die ebenfalls permanent Elektroenergie liefern, abgedeckt werden.

Damit würden generell große Kraftwerkseinheiten, die Elektroenergie auf der Basis von wärmetechnischen Prozessen erzeugen, nicht mehr benötigt und die damit zwangsläufig verbundenen Verluste nahezu vollständig vermieden. Insbesondere auf Kernkraftwerke mit den prinzipbedingten technischen Risiken und der nach wie vor ungeklärten Entsorgung der hochradioaktiven Reststoffe, könnte vollständig verzichtet werden.

Bleibt letztlich die Frage, welche Motive es heute gibt, Kernkraftwerke zu befürworten. Glaubwürdig erscheint mir nur eines, welches jedoch kaum vordergründig genannt wird: Mit Kernkraft lassen sich vortreffliche und auf lange Zeit gesicherte Gewinne sowohl durch die Konstrukteure und Erbauer als auch durch die Betreiber einfahren.

Risiken trägt zu einem guten Teil der Staat (sprich also wir alle), beispielsweise in Form der Staatshaftung im Falle eines großen Unglücksfalles, oder in Form von Fördermitteln beim Bau der Anlagen oder in Form von garantierten Restlaufzeiten, die so bemessen sind, dass alle technischen Anlagen abgeschrieben sind, bevor sie abgeschaltet werden. Oder auch in der Form, dass der Staat die Kosten für die Sicherung (besser: Erzwingung) von Transporten radioaktiven Mülls trägt. Oder auch in der Form, dass die Betreiber gesetzlich verpflichtet sind, für den Rückbau stillgelegter Anlagen und die Entsorgung der Abfälle eine finanzielle Rücklage zu bilden. Was aber, wenn diese Rücklage dafür nicht reicht? Es erscheint mir, vorsichtig ausgedrückt, reichlich vermessen, Problemen, die eine Reichweite von einigen tausend Jahren haben, heute damit begegnen zu wollen, dass man einige Millionen Euro ansammelt... Alle diese Kosten ehrlich eingerechnet, wäre Elektroenergie aus Kernkraftwerken vermutlich so teuer, dass sie sich auf dem Markt nicht behaupten könnte.

Nun könnte man mir vielleicht noch entgegenhalten, was ich denn gegen Gewinne einzuwenden hätte, die die Energiekonzerne machen. Eigentlich nichts, wenn diese Gewinne nicht auf Kosten vieler betroffener Menschen gemacht würden, die sich dagegen schlecht wehren können.


Links zu weiteren Seiten, die sich mit diesem Thema befassen: 

Pro Kernenergie

Externer LinkInteressenkreis Kernenergie

Kontra Kernenergie

Externer LinkGreenpeace

Bewegungen betroffener Bürger

Externer LinkX-tausendmal-quer

Externer LinkBürgerinitiative Lüchow-Dannenberg

Spezielle Artikel

Externer Linkzur CO2-Bilanz - (Greenpeace-Nachrichten Ausgabe 2/1994; Zugriff am 04.04.2004)

Externer Linkzur Bedeutung erneuerbarer Energien - Website des Ökoinstituts Freiburg; Zugriff am 04.04.2004