Utopiebaustelle 2004

Sonnabend, 20. November 2004

Heute begann unsere Diskussionsrund bereits um 15:00 Uhr - wie geplant mit Hilmar Kunath aus Hamburg.


Um 16:00 verkündeten die Künstler des Theaterhauses Jena die Utopie des Tages:

Wacht auf, Verdammte dieser Erde.


Hilmar berichtete zuerst von der Geschichte des Umsonstladens Hamburg.

Er und einige Freunde stellten sich angesichts der Entwicklung in den beginnenden 90-er Jahren die Frage, was denn die Menschen tun sollen, die dauerhaft arbeitslos sind. Zumal bereits damals von ihnen die Meinung vertreten wurde, dass diese immense Erwerbslosigkeit bleiben und sich eher ausweiten als zurückgehen wird.

Sie fanden, dass man ein ganzes Bündel von "Mitmachprojekten" der gegenseitigen Hilfe initiieren müsse, damit einerseits Arbeitslose ihre Kenntnisse und Fähigkeiten einbringen können und andererseits damit konkrete gegenseitige Hilfe geleistet werden kann. Eines dieser Mitmachprojekte war die Idee eines "Umsonstladens".

Diese Idee beruht auf der Tatsache, dass wir eigentlich über einen ungeheuren Warenreichtum verfügen und in vielen Haushalten Dinge vorhanden sind, die eigentlich nicht mehr gebraucht werden. Sie werden aber nicht weggeworfen, weil sie dafür einfach zu schade sind. Jeder verfügt über solche Dinge, und diese, darum wurde gebeten, sollen im Umsonstladen abgegeben werden.

Auf der anderen Seite gibt es viele Menschen, die bestimmte Dinge suchen, diese aber aus verschiedensten Gründen nicht kaufen. Sei es, weil sie die Dinge nicht im Angebot eines Händlers finden können, sei es, weil sie vielleicht kein Geld dafür haben oder sei es, weil sie die Dinge vielleicht nur einmal probieren und deshalb nicht gleich kaufen wollen. Alle diese Menschen können in den Umsonstladen gehen und, wenn sie etwas Geeignetes finden, dieses einfach mitnehmen.

Das ist wohlgemerkt kein Tausch, weil das Bringen von Dingen und das Mitnehmen von Dingen nicht miteinander in Verbindung steht oder gar stehen muss.

Für die "Benutzung" des Umsonstladens gibt einige wenige Spielregeln:

  • Mitgebracht werden darf alles, was ein Mensch tragen kann.
  • Die Dinge sollten so beschaffen sein, dass jemand anderes sie sofort verwenden kann, also sauber und funktionstüchtig.
  • Jeder darf pro Besuch maximal drei Dinge mitnehmen.
  • Die Dinge dürfen nur für den persönlichen Gebrauch gedacht sein, ein Weiterverkauf, beispielsweise auf Flohmärkten ist nicht erlaubt.

Der Hamburger Umsonstladen wird von etwa 20 aktiven Menschen "verwaltet". Das bedeutet, dass diese regelmäßige Öffnungszeiten absichern, Dinge entgegennehmen und einsortieren und Menschen, die etwas suchen, bei Bedarf beraten. Diese Arbeit wird unentgeltlich geleistet. Die Miete für den Laden wird aus Spenden und Mitgliedsbeiträgen erbracht.

Die Umsonstläden - in Deutschland existieren mittlerweile etwa 20 davon - repräsentieren im Kleinen etwas, was auch im Großen möglich sein sollte: Die Nutzung von Gegenständen ohne den Tausch von Sachen oder Geld. Gleichzeitig werden brauchbare Dinge nicht einfach auf den Müll geworfen sondern unmittelbar einer weiteren Nutzung zugeführt.

Der Umsonstladen in Hamburg existiert nun schon etwa 5 Jahre und ist sozusagen "etabliert". Um diesen herum haben sich, wie ursprünglich ja auch beabsichtigt, weitere Mitmachinitiativen angesiedelt: Ein Frauentreff, ein Kleinmöbellager, eine Fahrrad-Selbsthilfe-Werkstatt, ein Computerbereich, ...

Mit dieser Diskussionsrunde wurde die Zukunftswerkstatt auf der Utopiebaustelle des Theaterhauses Jena im Rahmen des Festivals "Völker hört die Signale" beendet. Es war dies für uns eine sehr interessante Erfahrung, konzentriert über den Zeitraum einer Woche jeden Tag Zukunfts- und damit natürlich auch Gegenwartsthemen zu diskutieren. Es war für uns jedoch eine sehr anstrengende Erfahrung. Wir werten diese Woche als großen Erfolg für uns, und hoffen, dass es von den vielen Teilnehmern an den einzelnen Abenden auch so betrachtet wird.

Abschließend möchten wir uns bei allen Mitarbeitern und Künstlern des Theaterhauses für die Unterstützung und Zusammenarbeit bedanken und hoffen, dass dies ein Auftakt für weitere Aktionen war.