Utopiebaustelle 2004

Donnerstag, 18. November 2004

Im Rahmen des Open Space gab es heute Diskussionen vor allem zum Thema Tauschringe und Selbstversorgung.

Als Diskussionspartnerin stellte sich hier freundlicherweise Astrid Linz zur Verfügung.

Insbesondere wurde dazu aufgerufen, dass BürgerInnen stärker aktiv für ihre Interessen eintreten, möglichst auch mit pressewirksamen Aktionen. Für Mitstreiter, vor allem in Jena, vermitteln wir bei Bedarf gern den Kontakt.


Trotz strömenden Regens wurde auch heute gegen 16:00 Uhr von den Künstlern des Theaterhauses die "Utopie des Tages" verkündet. Sie lautete heute:

Jeder ist zufrieden mit dem, was er besitzt.


Heute waren wir zur abendlichen Runde wegen der vielen Interessenten in das Theatercafe ausgewichen - unser ZK (Zentralkontainer) wäre deutlich zu klein gewesen.

Als Motto dieses Abends kann der Leitspruch dienen, den unser Gast, Prof. M. Opielka seinem gerade bei rowohlt erschienenen Buch "Sozialpolitik - Grundlagen und vergleichende Perspektiven" voranstellt:

Es gibt genug in der Welt für die Bedürfnisse aller,
aber es kann nicht genug für die Habgier aller geben.
Mahatma Gandhi

Tatsächlich ist die Idee des Existenzgeldes bereits schon einige Jahre alt. Sie wurde erstmals in den 60-er Jahren in den USA entwickelt und ging davon aus, dass Geld als universelles Tauschmittel das Leben der Menschen dominiert und eine Selbstversorgung zur Befriedigung der Bedürfnisse zukünftig wohl nicht mehr machbar sein wird. Deshalb schlug man vor, alle Menschen als ein Bürgerrecht mit einem Grundbetrag an Geld auszustatten. Als Methode wurde eine sogenannte negative Einkommenssteuer vorgesehen: Wer weniger als das Grundeinkommen zur Verfügung hat, erhält vom Finanzamt einen Aufstockungsbetrag bis zu dem genannten Grundeinkommen. Wer ein größeres Einkommen hat, muss entsprechend mehr Steuern an das Finanzamt bezahlen.

Tatsächlich gab es in den USA in einigen Gegenden entsprechende Experimente, um das Verhalten der Menschen unter solchen Verhältnissen zu beobachten. Interessantestes Ergebnis dabei war, dass das Erwerbsarbeitsverhalten der meisten Menschen sich kaum änderte. Sie zogen sich also nicht aus der Erwerbsarbeit zurück, sondern nutzen diese, um Geld hinzu zu verdienen. Lediglich alleinerziehende Mütter nutzten die neuen Möglichkeiten, um sich besser der Kinderbetreuung widmen zu können.

Mit der Präsidentschaft von R. Reagan in den 80-er Jahren wurden die eigentlich positiven Ergebnisse jedoch umgedeutet und negativ bewertet. Später wurden unter der Präsidentschaft von B. Clinton im "Welfare Reform Act" die Prinzipien der "Welfare" aufgegeben zugunsten einer "Workfare". Getreu dem konservativen Grundsatz, dass, wer nicht arbeitet, auch keine Unterstützung erhält, muss heute auch in Deutschland ein Empfänger von Arbeitslosengeld II alle zumutbaren Arbeiten annehmen, wobei zumutbar ein sehr dehnbarer Begriff ist.

Da aber viele Menschen arbeiten wollen, die unter die Hartz-IV-Gesetzgebung fallen, kann mit diesem Herangehen das Problem prinzipiell nicht gelöst werden. Sinnvoller wäre es, den heute bei uns verbreiteten Moralgrundsatz "man muss arbeiten, um sich sein Leben verdienen zu können" (Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen) zu überwinden und diese Kopplung zwischen Arbeit und Leben zu trennen. Dies ist einer der entscheidenden Ansätze für Existenzgeld.

Speziell von Prof. Opielka wird dafür in Deutschland, in Anlehnung an das Modell der Grundrente der Schweiz, eine "Sozialsteuer" in Höhe von 17,5% auf alle Einkommen vorgeschlagen, über die die Rentenversicherung, die Krankenversicherung, das Bafög und das Erziehungs- und Kindergeld finanziert werden können.

Wie gesagt, genug, um die Bedürfnisse aller zu decken ist da, für die Habgier aller kann es jedoch nicht genug geben.

Weitere Informationen sind auf der externer Link Website des Netzwerks zum Grundeinkommen verfügbar.


Weiter ging es mit dem Thema Arbeit und Tätigkeit und unser Gast dazu ist Michel Raab vom BiKo-Arranca e. V. (Erfurt) am Freitag, 19. November 2004