„Laudato Si“ – die Enzyklika des Papstes: Diese Welt gehört uns allen

Ende Juni veröffentlichte der Vatikan die Enzyklika des Papstes „Laudato Si“.
Die Enzyklika umfasst insgesamt 246 Einzelpunkte (Absätze), und ist damit viel zu umfangreich, um an dieser Stelle ausführlich dargestellt werden zu können. Im Kern geht es in einem ersten Abschnitt um die konkrete Darstellung der ökologischen Krise auf der Basis des aktuellen Standes der Wissenschaft. Darauf folgend wird versucht, die Ebene der Symptome zu verlassen und die tieferen Ursachen dieser Krise darzustellen. Auf dieser Basis wird aus christlicher Sicht eine Ökologie vorgeschlagen, „die in ihren verschiedenen Dimensionen den besonderen Ort des Menschen in dieser Welt und seine Beziehungen zu der ihn umgebenden Wirklichkeit einbezieht.“ (Abs. 15)
Die Enzyklika stellt die Position der katholischen Kirche zur Problematik des Klimawandels dar. Dabei wird der Problemkreis jedoch deutlich weiter gefasst: Als ein gesellschaftliches Problem, welches grundsätzlich den Umgang der Menschheit mit der Natur aber auch die Problematik der Armut und der ungleichen Verteilung von Gütern beinhaltet.

„Der Klimawandel ist ein globales Problem mit schwerwiegenden Umwelt-Aspekten und ernsten sozialen, wirtschaftlichen, distributiven und politischen Dimensionen; sie stellt eine der wichtigsten aktuellen Herausforderungen an die Menschheit dar.“ (Abs. 25)


Die Gründe dafür werden in den gegenwärtigen „Produktionsmodellen und Konsumgewohnheiten“ (Abs. 26) gesehen. Thematisiert werden dabei in jeweils eigenen Kapiteln ausführlich die Problematik des Klimawandels, der Verfügbarkeit von Wasser, der Verlust der biologischen Vielfalt sowie die Übernutzung natürlicher Ressourcen. In Verbindung damit wird ebenfalls auf die Verschlechterung der Lebensqualität und den sozialen Niedergang sowie auf die damit verbundene weltweite soziale Ungerechtigkeit verwiesen. Betont wird die Schwäche der internationalen politischen Reaktion:

„Die Unterwerfung der Politik unter die Technologie und das Finanzwesen zeigt sich in der Erfolglosigkeit der Weltgipfel über Umweltfragen. Es gibt allzu viele Sonderinteressen, und leicht gelingt es dem wirtschaftlichen Interesse, die Oberhand über das Gemeinwohl zu gewinnen und die Information zu manipulieren, um die eigenen Pläne nicht beeinträchtigt zu sehen.“ (Abs. 54)

Beklagt wird des Weiteren eine verbreitete oberflächliche Sicht auf die Probleme:

„Wenn wir auf den äußeren Eindruck schauen, hat es, abgesehen von einigen sichtbaren Zeichen der Verseuchung und des Verfalls, den Anschein, als seien die Dinge nicht so schlimm und der Planet könne unter den gegenwärtigen Bedingungen noch lange Zeit fortbestehen. Diese ausweichende Haltung dient uns, unseren Lebensstil und unsere Produktions- und Konsumgewohnheiten beizubehalten. Es ist die Weise, wie der Mensch sich die Dinge zurechtlegt, um all die selbstzerstörerischen Laster zu pflegen: Er versucht, sie nicht zu sehen, kämpft, um sie nicht anzuerkennen, schiebt die wichtigen Entscheidungen auf und handelt, als ob nichts passieren werde.“ (Abs. 59)

Wissenschaftlichkeit der getroffenen Aussagen

In der Enzyklika wird die Übereinstimmung der Meinung der katholischen Kirche mit den aktuellen wissenschaftlichen Ergebnissen klar hervorgehoben:

„Es besteht eine sehr starke wissenschaftliche Übereinstimmung darüber, dass wir uns in einer besorgniserregenden Erwärmung des Klimasystems befinden. […] [Z]ahlreiche wissenschaftliche Studien zeigen, dass der größte Teil der globalen Erwärmung der letzten Jahrzehnte auf die starke Konzentration von Treibhausgasen […] zurückzuführen ist, die vor allem aufgrund des menschlichen Handelns ausgestoßen werden.“ (Abs. 23)

Ebenso wird die wissenschaftlich wohlbegründete Tatsache hervorgehoben, dass der „intensive Gebrauch fossiler Kraftstoffe“ und die „zunehmende Praxis einer veränderten Bodennutzung“ die hauptsächlichen Ursachen des Klimawandels sind.

Rolle der Politik

Die Enzyklika benennt in aller Klarheit die Machtinteressen der politischen Kräfte, die den Klimawandel leugnen:

„Viele von denen, die mehr Ressourcen und ökonomische oder politische Macht besitzen, scheinen sich vor allem darauf zu konzentrieren, die Probleme zu verschleiern oder ihre Symptome zu verbergen, und sie versuchen nur, einige negative Auswirkungen des Klimawandels zu reduzieren.“ (Abs. 26)

Sie betont im Weiteren das notwendige Engagement der Zivilgesellschaft, von Nichtregierungsorganisationen und Kooperativen quasi als Gegenpol zu etablierten Politik. Diese sollen neben der Machtkontrolle der Politik einen lokalen, unmittelbaren und konkreten Beitrag zur Lösung der Probleme leisten.

Bekenntnis zu Gemeingütern

An prominenter Stelle bekennt die Enzyklika:

„Das Klima ist ein gemeinschaftliches Gut von allen und für alle.“ (Ans. 23)

Wiederholt wird betont, dass die Nutzung der Ressourcen unserer Erde, der Ozeane, der Atmosphäre, der Biosphäre allen Menschen in gleichem Maße zusteht. Damit wird das eigentliche Grundproblem der globalen Krise recht klar beschrieben: Die Übernutzung der Ressourcen. Zu einem „globalen Gemeinwohl“ gehören Regeln, die von allen gemeinsam festgelegt, eigehalten und überwacht werden müssen. Eine Vereinnahmung durch Deklaration der Ressourcen als Privateigentum ist ethisch durch nichts gerechtfertigt.
Die Bedeutung der Auffassung, dass beispielsweise die Atmosphäre als Gemeingut angesehen werden muss, wird deutlich, wenn man das bekannte 2-Grad-Ziel betrachtet: Eine Erhöhung der mittleren globalen Temperatur um mehr als 2 Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau soll vermieden werden. Dazu dürfen maximal nur noch 1.000 Gt Kohlendioxid in der Atmosphäre „deponiert“ werden. Jedoch lagert noch ein Vielfaches an fossilen Ressourcen im Boden. Wenn diese nicht mehr genutzt werden dürften, um das 2-Grad-Ziel einzuhalten, wären sie quasi entwertet, die Eigentümer wären enteignet.

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[Quelle: Klimablog]

Die Enzyklika betont, dass

„das Privateigentum z.B. an fossilen Ressourcen nur dann ethisch gerechtfertigt ist, wenn es dem Gemeinwohl dient. Die Entwertung der Vermögenswerte stellt somit keine widerrechtliche Enteignung dar, sondern ist legitim, weil sie dem Gemeinwohl dient, nämlich der Reduzierung der Risiken und Folgen des Klimawandels.“ [Quelle: Klimablog]

Die Politiker werden in dieser Hinsicht vermutlich große Probleme haben, diese Sicht auf die Probleme zu teilen. Diese Gesellschaft beruht auf dem Privateigentum an Produktionsmitteln, wozu auch Ressourcen und Deponiemöglichkeiten gehören. Es ist also auch auf der Klimakonferenz in Paris Ende dieses Jahres nicht damit zu rechnen, dass ein Beschluss zur Nutzung der Atmosphäre als Gemeingut mit dem entsprechenden Regelwerk gefasst wird. Die Enzyklika richtet sich deshalb auch an ein breitestmögliches Spektrum gesellschaftlicher Akteure auf allen Ebenen. Ihre Vernetzung möge einen Beitrag leisten, der zur gerechten Bewirtschaftung der globalen Gemeingüter führt. Dies sollte die wichtigste Aufgabe der nahen Zukunft sein. In diesem Sinne stimme auch ich als Atheist dem Papst voll und ganz zu.
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