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Entwickelte Warenproduktion
Bleiben wir ein wenig in dieser Zeit und versuchen, das Leben, soweit es uns aus dieser Zeit überliefert wurde, zu beschreiben. Tatsache ist, dass die beschriebene Lebensweise, nämlich vorwiegend über den Tausch von Waren das Alltagsleben zu gestalten, nur für die freien Bürger der griechischen Poleis charakteristisch war. Die Einwohner der Poleis waren Männer, Frauen, Kinder, Metöken (ortsansässige freie Fremde) und Sklaven. Als Personenverbandsstaat umfasste jede Polis nur die vollberechtigten, volljährigen männlichen Bürger, die Politen als Teilhaber an der "Herrschaft". Die kleinste wirtschaftliche Einheit der griechischen Polis war der Oikos, nach Aristoteles die Keimzelle des "Staates".
Der Oikos umfasste die Familie sowie Bedienstete und Sklaven, das Land, die Gebäude und alles bewegliche Inventar. Das Familienoberhaupt war der Hausherr, der patriarchalisch herrschte. Die Beziehungen der Mitglieder waren also durch personale Herrschaftsstrukturen gekennzeichnet. Einem Mitglied war es nicht einfach möglich, den Oikos zu verlassen und sein Leben anders zu führen. Im Zentrum des Oikos stand der Wirtschaftshof, in dem das auf dem Land Erwirtschaftete verarbeitet und für Notzeiten gelagert wurde. Die Wirtschaft des Oikos war in erster Linie auf Autarkie ausgerichtet, was allerdings nicht immer möglich war, wenn man beispielsweise an Metallverarbeitung denkt. Im Rahmen dieser Struktur war Warentausch sicherlich erforderlich aber keineswegs dominierend.
Jedoch waren nicht alle Menschen in diese Strukturen eingebunden. So waren die ortsansässigen Fremden, die Metöken nicht in die Oikoi eingebunden, ebenfalls Reisende und Söldner oder ehemalige Sklaven, denen die Freiheit geschenkt wurde. Deren Leben gestaltete sich vor allem derart, dass diese die benötigten Lebensmittel auf dem Markt tauschten. Für diese Menschen gestaltet sich das Alltagsleben völlig anders als für die in den traditionellen Familien lebenden Menschen. Ihre Lebensweise beruht vorwiegend auf dem Tausch von Waren, also auf dem Tausch der in den Oikoi als Mehrprodukt erzeugten und von diesen für den Zweck des Tauschs verwendeten Produkten. Sie mussten ihr Leben entsprechend einrichten und gestalten. Sie waren zwar frei im Sinne ihrer Nicht Zugehörigkeit, mussten aber ihr Leben den Strukturen und Möglichkeiten des Marktes anpassen. Ihre Lebensweise war also weniger durch personale sondern mehr durch strukturelle Herrschaft gekennzeichnet.
In der Zeit des Hellenismus, beginnend mit der Herrschaft Alexanders des Großen 336 v. u. Z. bis etwa zum Beginn unserer Zeitrechnung, hat sich die Lebensweise bereits stark gewandelt. Die militärischen Erfolge Alexanders bedurften eines für damalige Verhältnisse gewaltigen Heeres, welches dazu noch über Entfernungen von tausenden von Kilometern agieren musste. Das war auf der Basis der Poleis nicht zu leisten. Die Grundlage der hellenistischen Wirtschaft war deshalb eine bis ins Detail durchorganisierte Landwirtschaft. Durch Einführung moderner Anbaumethoden wurde Ägypten zur Kornkammer des östlichen Mittelmeerraumes, der König erhielt etwa ein Drittel der Erträge. Im Diadochenreich, dem Nachfolgereich des Alexanderreiches, wurde die Verwaltung zentralistisch organisiert und von Berufsbeamten geführt. Im seleukidischen Babylonien führten die Makedonen, die den Großteil des Beamtentums bildeten, den Weinbau ein. Grundnahrungsmittel wie Öl, Salz, Fisch, Bier, Honig und Datteln, die Herstellung von Papyrus, Textilien, Glas und Luxusartikeln sowie Transportwesen, Banken und Außenhandel waren Sache des Staates.
Die Warenproduktion behauptet sich als Form einer möglichen Lebensweise in der damaligen Zeit immer besser neben der traditionellen Lebensweise in Familienverbänden. Nur vermittels der Warenproduktion und der damit verbundenen zunehmend besseren Organisation waren beispielsweise so umfassende Militäroperationen wie zur Zeit Alexander des Großen möglich. Die Einführung von gemünztem Geld brachte einen weiteren Entwicklungsschub für die Marktwirtschaft.
Die Münzprägung stand unter der Kontrolle des Königs. Der Geldwechsel war wie das Bankwesen insgesamt in den Händen des Staates. In Ägypten wickelte die königliche Staatsbank auswärtige Geldgeschäfte über ihre Hauptstelle in Alexandria und den inländischen Zahlungsverkehr über zahlreiche Zweigstellen im ganzen Reich ab. Von internationaler Bedeutung war außerdem die Bank auf der Insel Delos. Alle Bankgeschäfte wurden mit Hilfe der in Athen entwickelten Buchführung schriftlich dokumentiert. Es hat sich bis dahin also eine entwickelte Warenproduktion fest in der Gesellschaft etabliert und für immer mehr Menschen wurde diese Lebensweise bestimmend.
Die Trennung zwischen Produktion und Konsumtion bezüglich der beteiligten Personen, bezüglich des Raumes wie auch bezüglich der Zeit ist an dieser Stelle weiter ausgeprägt als je zuvor. Es ist sogar etwas Neues zwischen die Produktion und die Konsumtion getreten, was es vorher im Sinne eines ausschließlich für den Tausch nützlichen Mediums, nicht gab: Der Markt. Der Markt hat die Aufgabe einer universellen Vermittlung zwischen Produzenten und Konsumenten. Er vertieft jedoch gleichzeitig die Trennung beider Seiten. Eine Ware kann sich, nach ihrer Herstellung, nahezu beliebig lange auf dem Markt befinden (vorausgesetzt sie verdirbt nicht), kann beliebig oft auf verschiedenen Märkten getauscht werden. Die "Entfernung" zwischen Produktion und Konsumtion, sowohl räumlich, als auch zeitlich als auch bezüglich der zwischengeschalteten Tauschaktionen (und damit bezüglich der beteiligten Personen) kann und wird zunehmen. Es reicht also nicht, sich einen solchen Austausch zwischen zwei oder drei solcher "Produzentengemeinschaften" vorzustellen, sondern zwischen einer viel größeren Zahl. Damit wird der Austausch auch weitgehend anonymisiert, wird quasi zu einer statistischen Größe. Der Produzent weiß nichts vom Konsumenten und umgekehrt. Karl Marx schreibt dazu: "Gebrauchsgegenstände werden überhaupt nur Waren, weil sie Produkte voneinander unabhängig betriebener Privatarbeiten sind." [K. Marx, 1967, S. 87].
Auch die Interessenlagen der Beteiligten ändern sich. Der Produzent wird Produkte herstellen, die er gut verkaufen kann. Ob das Produkt für ihn nützlich ist im Sinne eines Gebrauches, ist ihm herzlich egal. Er will es ja nicht gebrauchen, er will es verkaufen. Nur ein potentieller Kunde muss ein Interesse daran haben, es zu kaufen. Entweder für den eigenen Gebrauch oder für den weiteren Verkauf. Und notfalls muss dem Kunden eben eingeredet werden, dass das Produkt gut und wichtig und nützlich ist, solange, bis er es kauft. Das ist das einzige Ziel. Und noch etwas möchte der Produzent bzw. der Verkäufer: Er möchte möglichst viel Geld dafür eintauschen. Möglichst viel vom dem universellen Tauschmittel, welches auf allen Märkten genutzt werden kann, um andere, von ihm benötigte Waren zu kaufen, entweder für den eigenen Gebrauch oder für den weiteren Handel.
Der Käufer hingegen hat eine andere Interessenlage: Er wird aus den angebotenen Waren nur die kaufen wollen, die ihm in irgendeiner Art nützlich erscheinen. Entweder für den eigenen Gebrauch oder für einen weiteren Handel auf einem anderen Markt. Und er möchte, wenn er Waren erwirbt, dies für einen möglichst geringen Geldbetrag tun.
andere Interessenlage am Markt
Hier entwickelt der Markt plötzlich eine Art Eigenleben. Die Verkäufer möchten möglichst alle Waren für möglichst viel Geld verkaufen und die Käufer möchten nur das für sie Nützliche für möglichst wenig Geld kaufen. Darüber hinaus ist den Verkäufern die (Interessen )Lage der Käufer und umgekehrt den Käufern die (Interessen )Lage der Verkäufer herzlich egal. Die Situation der Produzenten bzw. der Konsumenten ist beiden jeweils (soweit sie das nicht zufällig selber sind) also ziemlich gleichgültig. Und beide Seiten möchten, damit sie immer in der Lage sind, Tauschhandlungen durchzuführen, möglichst viel universelle Tauschware, sprich Geld haben. Die konkrete Produktion, das konkrete Produkt spielt nur noch insofern eine Rolle, als dass es einen Abnehmer finden, also für den Tausch geeignet sein muss. Von allen anderen Eigenschaften soll möglichst abstrahiert werden. Insbesondere wird eine Ware nur danach beurteilt, wie gut sie sich verkaufen lässt. Sie hat bezüglich des Tauschs einen abstrakten Tauschwert, einen Marktwert. Dieser hat mit dem konkreten Gebrauchswert eigentlich nichts mehr zu tun. Nur noch insofern, als dass ein Käufer die Ware gebrauchen können muss, sonst hätte er kein Kaufinteresse. Aber sobald das da ist, spielt es eigentlich beim Käufer auch keine Rolle mehr: Er wird ab diesem Augenblick nur noch schauen, wie er für möglichst wenig Geld zu der Ware kommt. Es spielt nur noch der Marktwert eine Rolle.
Das wichtigste Merkmal der Form der entwickelten Warenproduktion und der mit ihr zwangsläufig verbundenen Form des Warentauschs auf einem Markt ist der Umgang mit einem abstrakten Wert. Die Warenproduktion ist somit eine Lebensweise, die sich von der Zielfunktion des konkreten Gebrauchs der hergestellten Produkte loslöst und hinwendet zu einer abstrakten Produktion für einen anonymen Markt. Die letztlich natürlich irgendwo nötige Verwendung, Konsumtion der Produkte, also deren Gebrauchswert, spielt nur noch eine untergeordnete, eine mittelbare Rolle.
Ware hat auf dem Markt einen rein abstrakten, ausschließlich quantitativen (Tausch )Wert: Wieviel Geld erhalte ich im Tausch dafür auf dem Markt? Dieser abstrakte Tauschwert wird sich im Mittel aller Tauschhandlungen des Marktes irgendwo einpegeln. Nach Marx entspricht dieser Wert der "abstrakt menschlichen Arbeit", also der im Mittel für die Herstellung der Waren aufgewendeten menschlichen Arbeit. Auf dieser abstrakten Ebene gibt es also sehr wohl eine Verbindung zwischen der Herstellung der Waren und deren Tausch auf dem Markt. Aber eben auch nur noch in dieser Abstraktheit. Konkret erlebbar ist das für die beteiligten Menschen nicht mehr.
Nun ist es aber gerade das konkrete, reale, tägliche Erleben, welches das "Alltagsbewusstsein" eines Menschen prägt. Alfred Sohn-Rethel schreibt zu den daraus erwachsenden Konsequenzen: "Ferner hat diese Abstraktheit eine höchst charakteristische Eigenschaft: sie täuscht die Warenbesitzer über den historischen Charakter der Warenform und prägt ihrem Denken einen zeitlos absoluten, jeden zeitlichen Ursprung und jede örtliche Bedingtheit verleugnenden Geltungsanspruch auf." [A. Sohn-Rethel, 1971, S. 107 f]
Karl Marx formuliert dazu im Kapital: "Wir verfolgten die Befestigung dieses falschen Scheins. Er ist vollendet, sobald die allgemeine Äquivalentform mit der Naturalform einer besonderen Ware verwachsen oder zur Geldform kristallisiert ist. […] Die vermittelnde Bewegung verschwindet in ihrem Resultat und lässt keine Spur zurück. Ohne ihr Zutun finden die Waren ihre eigene Wertgestalt fertig vor als einen außer und neben ihnen existierenden Warenkörper. Diese Dinge, Gold und Silber […] sind zugleich die unmittelbare Inkarnation aller menschlichen Arbeit. Daher die Magie des Geldes." [K. Marx, 1962, S. 107]
Fassen wir an dieser Stelle einmal zusammen, wie sich die gesellschaftlichen Zusammenhänge für viele Menschen in der Zeit der entwickelten Warenproduktion, beginnend etwa mit dem Aufkommen des Münzgeldes um 700 v. u. Z. bis etwa zum Beginn des Mittelalters darstellen.
- Die Herstellung von Produkten erfolgt vorwiegend in Handarbeit im Rahmen von Sklavenhaltern zugehörigen Gemeinschaften von Sklaven bzw. anderen Unfreien (Fellachen in Ägypten). Die Sklavenhalter sind freie Bürger, beispielsweise der griechischen Poleis oder der Römischen Metropolen. Die Herstellung der Produkte erfolgt zum Teil für den eigenen Gebrauch und zunehmend zum Zweck des Tauschs auf einem Markt. In diesem Sinne sind die Produkte Waren. Der Tausch wird durch die Sklavenherren vollzogen und ist zum Teil staatlich organisiert. Die große Mehrheit der Menschen ist in personale Herrschaftsstrukturen eingebunden, sie sind abhängig von Personen (Sklavenhalter, Gutsherr, Adliger). Zunehmend mehr Menschen, die in ihrer Lebensweise nicht in die traditionellen Familienstrukturen eingebunden sind, wie landlose Freie (Metöken), Händler und Söldner gestalten ihr Leben vermittels des Marktes.
- Als universelle "Tauschware" hat sich das Geld in Form von Münzen, also in Form geprägten Edelmetalls entwickelt. Der Markt agiert nach eigenen, neuen Gesetzlichkeiten, die es vorher nicht gab und die vorher auch nicht nötig waren. Diese resultieren daraus, dass auf dem Markt vor allem der Tauschaspekt und nicht der Aspekt der Herstellung oder des Gebrauchs eines Produkts von Bedeutung ist. Der Verkäufer möchte möglichst alle seine Ware gegen möglichst viel Geld tauschen, ein Käufer möchte hingegen nur die Dinge für möglichst wenig Geld tauschen, die für ihn nützlich sind zum eigenen Gebrauch, entweder für die eigene Konsumtion oder für einen weiteren Tausch.
- Die tatsächlich aufgewendete Arbeitsleistung zur Herstellung eines Produktes, das Know How, die Kunstfertigkeit der Produzenten usw. spielen für den Markt keine Rolle. Die Ware erscheint als abstrakter Wert, als Tauschwert, als abstrakter, entfremdeter, formaler Gegenwert menschlicher Arbeit, dargestellt in der Form von Geld. Geld ist daher das universelle abstrakte Äquivalent für jedwede menschliche Arbeit (Inkarnation menschlicher Arbeit).
Für die Bürger, die am Markt agieren, kommen also völlig neue Maßstäbe dafür ins Spiel, wie sie ihr Leben in ihrer Gesellschaft reproduzieren können und sie es demnach auch empfinden. Warentausch, die Rolle des Geldes als etwas Universelles, was gegen jede andere Ware oder Leistung eingetauscht werden kann, wird für diese Menschen zur Lebensgewohnheit. Es ist für sie jetzt durchaus sinnvoll, nach immer mehr Geld zu streben, damit sie immer wieder die Dinge tauschen können, die sie haben wollen. Sie beurteilen die Dinge immer weniger nach ihrem Gebrauchswert, dafür aber immer mehr nach ihrem Tauschwert, nach der Möglichkeit, die Waren zu "vermarkten". Ihr Leben ordnet sich zunehmend den Strukturen des Marktes unter. Dieser universelle Warentausch ist aber letztlich etwas von Menschen gemachtes, kein Naturgesetz. Er wird jedoch von den Menschen, deren Lebensalltag davon bestimmt wird, wie ein Naturgesetz empfunden. Karl Marx verwendet dafür den Begriff des "Fetischcharakters" der Ware.
Dass dieser "neue" (im Gegensatz zur Steinzeit neue) Lebensalltag auch auf anderen Ebenen des menschlichen Lebens reflektiert wird, erscheint nach den bisherigen Darlegungen eine logische Konsequenz. Tatsächlich geht diese Entwicklung des Marktes als das die Lebensweise einer wachsenden Anzahl von Menschen prägendes Element einher mit dem Entstehen der klassischen griechischen Philosophie.
George Thomson, ein englischer Philosoph des vergangenen Jahrhunderts, hat den Zusammenhang zwischen der Entstehung der Philosophie und dem Wachstum der Warenproduktion genauer untersucht und die diesbezüglichen Ergebnisse u. a. folgendermaßen dargestellt:
"… die Ware [ist] das Kennzeichen der Zivilisation, die wir als die Stufe [verstehen], auf der die Warenproduktion ‚zu vollem Wachstum' gelangt. Daher steht das Denken des zivilisierten Menschen von seiner frühesten Zeit bis heute unter dem, was Marx den Warenfetischismus genannt hat, das heißt unter dem von den gesellschaftlichen Beziehungen der Warenproduktion erzeugten ‚falschen Bewußtsein'. In der frühen griechischen Philosophie können wir verfolgen, wie dieses ‚falsche Bewußtsein' nach und nach Gestalt annimmt und für die Gegenstandswelt Kategorien ausprägt, welche der Natur, statt der Gesellschaft anzugehören scheinen. Das ‚Eine' des Parmenides mag deshalb, ebenso wie der spätere Begriff der ‚Substanz' als Abbild oder Widerspiegelung der Substanz des Tauschwertes bezeichnet werden."
[G. Thomson, 1955, p 301]
Die Warenproduktion, die mit ihr verbundenen Empfindungen und Regeln, werden also von den Menschen, die ihre Lebensweise darauf aufbauen als etwas völlig Natürliches empfunden, nicht als etwas, was Menschengemacht, was gesellschaftlich bedingt ist. Soweit als etwas Natürliches empfunden, dass sogar das Gedankengebäude der klassischen griechischen Philosophie dieser "Fehlinterpretation" unterliegt. In dieser Zeit waren es aber, wie bereits bemerkt, nur die "freien Bürger", die ihre Lebensweise auf der Grundlage der Warenproduktion gestalten konnten.
Für die übergroße Mehrzahl der Menschen, die zu dieser Zeit lebten, dürfte sich das Leben vermutlich ganz anders gestaltet haben. Es waren dies Menschen, die in festen, personalen Abhängigkeitsverhältnissen lebten. Dabei ist es nicht von entscheidender Bedeutung, ob das Sklaven waren wie in Griechenland oder Rom, oder andere Hörige, die sich beispielsweise nach Ende des Römischen Reiches in Mitteleuropa durch die in dieser Region spezifische Regelung des Grundbesitzes herausbildeten. In jedem Fall waren es die Abhängigen, die im Rahmen relativ überschaubarer Gemeinschaften die Dinge erzeugten, die für den unmittelbaren eigenen Gebrauch bestimmt waren. Darüber hinaus mussten sie auch die Dinge herstellen, die ihre Herren sich dann in Naturalform aneigneten - entweder für deren eigenen Verbrauch oder als Waren zum Zweck des Verkaufs auf geeigneten Märkten. Die Lebensweise aller dieser Menschen war aber nicht von einer Marktwirtschaft geprägt.
Im Sinne des methodischen Fünfschritts von Klaus Holzkamp hat sich in der Entwicklung der menschlichen Gesellschaft bis zu dieser Zeit der entwickelten Warenproduktion bezüglich der Verwendung der Ergebnisse menschlicher Arbeit ein Funktionswechsel vollzogen: Anfangs dienten die Ergebnisse menschlicher Arbeit nahezu ausschließlich der unmittelbaren Reproduktion menschlichen Lebens und das gemeinschaftlich erzeugte Mehrprodukt wurde auch gemeinschaftlich verbraucht. Auf der Stufe der entwickelten Warenproduktion dienen die Ergebnisse menschlicher Arbeit nicht mehr nur der unmittelbaren Reproduktion, hinzu kam die Warenproduktion. Insbesondere das gemeinschaftlich erzeugte Mehrprodukt wird durch die Menschen, die über entsprechende Machtpositionen verfügten (Sklavenhalter, Feudalherren) enteignet um es als Ware auf dem Markt zu verkaufen. Eine kleine, aber stetig wachsende Gruppe von Menschen gestaltet jedoch ihr Leben vorwiegend vermittels des Marktes: Handwerker, Händler, Söldner, Beamte … Es entsteht für diese Menschen dadurch eine veränderte Lebensweise, eine veränderte Art und Weise, wie diese Menschen die Gesellschaftlichkeit ihres Lebens empfinden. Diese Lebensweise ist geprägt vom Streben nach universeller Verfügbarkeit über menschliche Arbeit durch Tausch von Waren gegen Geld auf einem immer weiter greifenden Markt. Diese Lebensweise führt tendenziell zu einer Entfremdung von Produktion und Konsumtion, zu einer Entfremdung der Menschen, deren Lebensweise vom Markt geprägt ist, vom ursprünglichen Ziel menschlicher Arbeit, der individuellen und gemeinschaftlichen Reproduktion.