Während mir gestern an einem einzigen Tag beim Fernsehzappen zwei Reportagen über den beschleunigten Klimawandel auffallen, enden die internationalen Klimagespräche in Poznan so gut wie ergebnislos. Mitten in den forcierten Sozialabbau fällt die globale Finanzkrise der Wirtschaft. Während sich vielerorts die Menschen gegen diese Zumutungen wehren, werden die „Sicherheits-„Gesetze verschärft. Wahrlich, es geht zu Ende mit dieser Lebens- und Wirtschaftsordnung. Das Problem dabei ist: Es geht nicht mehr nur gegen „die da oben“, sondern unsere eigene, auf eine bestimmte Form des Wohlstands orientierte Lebensweise wird in Frage gestellt.
Dass die industrielle Raubbauwirtschaft an „Grenzen des Wachstums“ stoßen wird, ist seit langem bekannt. Für jene, die sich dem Sozialabbau entgegenstellen, mehr Teilhabe am Wohlstand und soziale Lebensverbesserung fordern, muss es wie eine Zumutung erscheinen, dass ihnen gesagt wird: „Es geht sowieso nicht mehr weiter mit dem Wohlstand, macht euch auf karge Zeiten gefasst, denn die Ressourcen reichen nicht mehr.“ Wenn der Klimawandel Verzicht auf Wohlstand fordert, muss er wohl eine Erfindung des Gegners sein, der uns ausschließen will.
Dass dies nicht so ist, weisen Andreas Exner, Christian Lauk und Konstantin Kulterer in ihrem Buch: „Die Grenzen des Wachstums. Wie wir am Wachstum scheitern“ nach. Knallharte Fakten beweisen, dass die industrielle Produktionsweise an die Grenzen des Verbrauchs von fossiler Energie und auch des Materialeinsatzes stößt. Aber auch scheinbar sanfte Reformen, wie die „Effizienzrevolution“ oder der Ausbau von Erneuerbarer Energie können unsere Lebens- und Wirtschaftsweise nicht retten. Für viele mag das eine Ent-Täuschung sein. Es wäre doch zu schön, wenn wir weiter immer längere Flugreisen, schwerere Autos, geheizten Wohnraum und Wäschetrockner haben könnten, und die Wirtschaft des eigenen Landes durch die technische Effizienzsteigerung und den wachsenden Markt für Erneuerbare Energien auch noch auf dem Weltmarkt Vorteile erlangen könnte! Für einzelne Branchen, wie die Photovoltaik funktioniert das auch. Mitten in der Krise wird in Thüringen ein weiteres großes Solarwerk aufgebaut, ein großer Solarkonzern wollte gar einen kriselnden Autobauer aufkaufen. Global gesehen jedoch geht die Rechnung nicht auf. Dies wird in diesem Buch mit vielen Zahlen und Daten nachgewiesen. Sie beziehen sich einerseits auf die stofflich-energetischen Fragen, andererseits auf polit-ökonomische Zusammenhänge. Und besonders letzteres unterscheidet dieses Buch von den vielen anderen Ökobüchern, die es seit Jahrzehnten gibt. Es überbrückt die Kluft, die leider zwischen den sozialen und den ökologischen Bewegungen immer noch besteht. Denn es ist nicht irgendeine menschliche Lebensweise, die an ihre Grenzen gelangt, sondern die kapitalistische. Die ökologischen Grenzen werden traditionell von den Ökos diskutiert – die eher sozialen Krisen des Kapitalismus von sozialen Bewegungen. Und prompt geraten sie zuerst einmal aneinander, gegeneinander: Wenn die ökologischen Grenzen ein Bremsen des Wohlstandswachstums oder gar ein Herunterfahren des Wohlstands erfordern, so müssen sich die sozialen Bewegungen gefährdet fühlen. Und wenn statt Sozialabbau die weitere Beteiligung aller Menschen am Wohlstand gefordert wird, erkennen die ökologischen Bewegungen, dass der Raubbau an der Natur beschleunigt wird. Dass diese beiden nicht gegen einander sondern nur miteinander gemeinsam aus der lähmenden Verklammerung heraus kommen , bedarf eines tieferen Blicks in die ökonomischen Zusammenhänge, die die kapitalistische Wirtschaftsweise beherrschen. Dann zeigt es sich auch, dass die Art von Wachstum, die der Kapitalismus zustande bringt, schon längst an den Interessen der allermeisten Menschen vorbei geht. Daran ist nicht viel zu retten, nicht einmal die Arbeitsproduktivität, bei der in der US-amerikanischen Landwirtschaft mehr Energie in Form von Öl eingesetzt wird, als an essbaren Kilokalorien heraus kommen. Eine der vielen schönen treffenden Themenüberschriften heißt deshalb auch „Wir essen Öl“.
Das ganze Buch ist letztlich ein Durchgang durch noch oft anzutreffende Illusionen und deren Widerlegung. Eine Ent-Täuschung folgt der anderen.
Wer das durchhält, wird aber nicht alternativlos allein gelassen. Das Buch beginnt mit dem Blick nach Detroit, wo der Rückzug des Automobilbaus schon vor Jahrzehnten Ruinen zurück gelassen hat – aber am Ende kommen wir zurück nach Detroit und entdecken, dass dort auch Neues zu blühen begonnen hat. In Gemeinschaftsgärten und anderen Projekte nehmen die Menschen ihr Leben mehr und mehr wieder selbst in die Hand. Auch Argentinien ist ein Vorbild, einerseits für den Crash des Industriekapitalismus, andererseits für die Kraft der Menschen, die Fabriken zu besetzen, zu übernehmen und in eigener Regie weiter zu führen. Das alles braucht uns nicht wieder in verfrühte Illusionen verführen. Aber es sind Bausteinchen, auf denen unsere Hoffnungen aufsetzen können und mit denen wir beginnen können, in unseren eigenen Lebensbereichen mehr und mehr Autonomie und Selbstorganisation zu beginnen. Umsonst- und Gemeinschaftsprojekte sind auf vielen Gebieten möglich.
„Wir müssen die Produktion in unsere Hand bekommen…
Und diese Hand muss sich mit anderen Händen direkt verschränken.“ (S. 213)
Das Buch:
Exner, Andreas; Lauk, Christian; Kulterer, Konstantin (2008): Die Grenzen des Kapitalismus. Wie wir am Wachstum scheitern. Wien: Ueberreuter.
Weitere Texte von mir zum Buch von Exner u.a.: