Vor 50 Jahren veröffentlichte der Club of Rome seine erste Studie „Grenzen des Wachstums“. Die Autorinnen und Autoren, unter ihnen der norwegische Zukunftsforscher Jorgen Randers stellten darin fest, dass wenn die Menschheit weiter so wächst, produziert, konsumiert und die Umwelt verschmutzt wie bis dahin, sie ihre eigene Lebensgrundlage zerstören wird. Heute, 50 Jahre später hat Randers gemeinsam mit weiteren Autoren in der Bundespressekonferenz wiederum ein Buch des Club of Rome vorgestellt: „Earth4All“. Darin werden sofortige drastische Schritte für eine lebenswerte Zukunft gefordert. Ein „weiter so“ würde zu einem Zusammenbruch ganzer Regionen führen und ohne eine Umverteilung des Reichtums lasse sich die Klimakrise nicht lösen.
Das Buch untersucht zwei Szenarien, die im Jahr 1980 beginnen und im Jahr 2100 enden. Diese Szenarien mit den „Titeln Too Little, Too Late“ und „The Giant Leap“ untersuchen, wie sich Bevölkerung, Wirtschaft, Ressourcennutzung, Umweltverschmutzung und soziale Spannungen in diesem Jahrhundert aufgrund der in diesem Jahrzehnt getroffenen Entscheidungen verändern könnten.
Das Szenario „Zu wenig, zu spät“
Im ersten Szenario, oft auch als „Business as usual“ bezeichnet, wird weltweit die Wirtschaftspolitik der letzten vierzig Jahre weitergeführt. Während das BIP weiter wächst, werden die Reichen immer reicher, während die Armen immer weiter zurückfallen. Das führt zu extremen Ungleichheiten und wachsenden sozialen Spannungen innerhalb und zwischen den Ländern. Politische Spaltung und mangelndes Vertrauen machen es immer schwieriger, Klima- und Umweltrisiken zu bewältigen.
Die globalen Temperaturen werden bis zum Jahr 2100 um etwa 2,5 °C ansteigen und damit das im Pariser Abkommen festgelegte Ziel deutlich überschreiten. Die ärmsten Volkswirtschaften sind dabei mit den extremsten Bedingungen konfrontiert. Sie haben Schwierigkeiten, sich an die Klimaauswirkungen anzupassen. Im weiteren Verlauf des Jahrhunderts werden etwa zwei Milliarden Menschen in Gebieten leben, die an der Grenze der menschlichen Bewohnbarkeit liegen. Alle Gesellschaften werden unter den Folgen von extremer Hitze, Dürre, Ernteausfällen und Überschwemmungen zu leiden haben.
Wenn die Welt den Weg des „Zu wenig, zu spät“ weitergeht, zeigt das Modell, dass der Wohlstand weltweit abnimmt, und zwar um durchschnittlich -40 % in den 2050er Jahren im Vergleich zu den 2020er Jahren. Dies selbst in den wohlhabenden Ländern. Es wird dabei bis zum Jahr 2100 dauern, um die extreme Armut zu beseitigen, da das Wirtschaftswachstum in den ärmsten Ländern stagniert. Den Modellrechnungen zufolge wird die Weltbevölkerung um 2050 ihren Höchststand von knapp neun Milliarden Menschen erreichen.
Per Espen Stoknes, Mitautor und Direktor des Zentrums für Nachhaltigkeit an der Norwegian Business School, sagte: „In diesem Szenario zeigt das Modell, dass ein regionaler gesellschaftlicher Zusammenbruch, angetrieben durch zunehmende soziale Spannungen, Ernährungsunsicherheit und Umweltzerstörung, wahrscheinlicher ist als heute. Regionale und globale Krisen werden oft nicht durch ein einzelnes Ereignis wie einen Ernteausfall verursacht, sondern durch kaskadenartige Fehlentwicklungen, die durch den Klimawandel, chronisch dysfunktionale Regierungen und Systemfehler noch verschlimmert werden.“
Das Szenario des „Riesensprungs“
Das zweite Modell bietet eine Lösung über einen zweiten, realisierbaren Weg, den „Riesensprung“. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass es möglich ist, die Temperaturen unter 2°C (über dem vorindustriellen Niveau) zu stabilisieren, die Bevölkerung deutlich unter neun Milliarden Menschen zu halten, den Materialverbrauch zu reduzieren und sich weltweit einem Ende der extremen Armut bis 2050 zu nähern – eine Generation früher als beim Szenario „Zu wenig, zu spät“. In diesem Szenario nehmen die sozialen Spannungen ab, und das Wohlbefinden steigt im Laufe des Jahrhunderts aufgrund der größeren Einkommensgleichheit.
Das Modell zeigt, dass die Gesellschaften, um den Riesensprung zu erreichen, beispiellose und sofortige Maßnahmen in fünf miteinander verknüpften Bereichen ergreifen müssten:
- Überwindung der Armut durch eine Reform des internationalen Finanzsystems, um 3-4 Milliarden Menschen aus der Armut zu befreien
- Bekämpfung der krassen Ungleichheit, indem sichergestellt wird, dass die reichsten 10 % nicht mehr als 40 % des nationalen Einkommens erhalten
- Stärkung der Rolle der Frauen, um bis 2050 eine vollständige Gleichstellung der Geschlechter zu erreichen
- Umgestaltung des Lebensmittelsystems, um eine gesunde Ernährung für Mensch und Erde zu gewährleisten
- Umstellung auf saubere Energie, um bis 2050 Netto-Null-Emissionen zu erreichen
Das Buch enthält fünfzehn politische Empfehlungen, die das größte Potenzial haben, diese Umwälzungen zu beschleunigen.
Johan Rockström, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, kommentierte: „Aus Hunderten potenzieller Lösungen haben wir fünf miteinander verbundene Trendwenden gefunden, die die einfachsten und wirksamsten Lösungen darstellen, mit deren Umsetzung wir noch in diesem Jahrzehnt beginnen müssen, um bis etwa 2050 eine Wirtschaft aufzubauen, die innerhalb der planetarischen Grenzen funktioniert.“
Weitere Informationen sind auf der Website Earth4All zu finden.