Am letzten Donnerstagmorgen schaltete ich wie gewohnt nach dem Aufwachen das Radio ein und mir begegnete zu ersten Mal bewusst der Begriff „Quantiefied self“ – die Vermessung des Ichs, wie es üblicherweise übersetzt wird. Ich war bass erstaunt, dass der Moderator der Früh-Sendung seine aktuellen Werte für Pulsfrequenz, Blutdruck, Anzahl getätigter Schritte und einige weitere über den Sender gab. Für mich fiel so etwas immer unter die Rubrik „persönlich“ oder „Ärztliche Schweigepflicht“.
Nach einigen Minuten wurde ich dann in der Sendung informiert, dass es sich bei Vermessung des Selbst um eine Bewegung aus den USA handelt, die dazu dient, sich permanent selbst zu verbessern. Dieser Trend ist eine Reaktion auf zunehmenden Leistungsdruck und Konkurrenz. Die eigene Optimierung geschieht dadurch, dass am Körper angebrachte Sensoren (so etwas wie eine bessere Pulsuhr) permanent ausgewählte Körperfunktionen überwacht (Puls, Blutdruck, Hautwiderstand, Anzahl getätigter Schritte u. a. m.) und diese über eine entsprechende App per Smartphone auf einen Server zur Auswertung übermittelt. Die Auswertung kann ich mir dann jederzeit anschauen und daraus evtl. notwendige Verhaltensänderungen ableiten und diese wiederum überwachen. Ebenso bietet sich die Möglichkeit, die eigenen Werte mit anderen (z. B. Durchschnittswerten ähnlicher Nutzergruppen) zu vergleichen und damit festzustellen, wie ich im Verhältnis zu Anderen abschneide.
Meine ersten spontanen Gedanken dazu, die mir an diesem Morgen durch den Kopf gingen, sind hier nicht zitierfähig. Ich habe aber einen wunderschönen Kommentar dazu auf der Website des Kulturradios gefunden, den ich hier quasi stellvertretend verlinken möchte. Dieser Kommentar ist mir quasi aus dem Herzen gesprochen.
Meine nächsten Gedanken kreisten um die Motivation dieser Selbstoptimierung, dem besseren Bestehen auf dem Markt, konkret, dem Arbeitsmarkt. Was meine negative Meinung dazu keineswegs relativierte. Für mich ist es Ausdruck des Inhumanen schlechthin, wenn ich mich als Ware auf einem Markt verdingen muss, um in dieser Gesellschaft leben zu können. Und dann soll ich das auch noch optimieren? Mich so entwickeln, dass ich möglichst stressresistent und rund um die Uhr hochleistungsfähig bin? Soll das das „gute Leben“ sein? Auf der Website der Zukunftswerkstatt gibt es einen Beitrag, der zwar schon einige Jahre alt ist, aber diesbezüglich nichts an Aktualität eingebüßt hat.
Und dann kamen mir natürlich auch gleich die „Randbedingungen“ dieses Verfahrens in den Sinn – Stichwort Datenschutz. Ich habe zwar die konkreten technischen Details nicht überprüft, aber mir erscheinen die entsprechenden Randbedingungen grundsätzlich fragwürdig. Ich werde reduziert auf eine „Daten-Wolke“, die mit den Methoden des BigData analysiert wird. Schlimmstenfalls sind diese Daten auf irgendeinem Server irgendwo in der Welt gespeichert und ich habe keine Kontrolle darüber, wer wann zu welchem Zweck darauf zugreift und was damit macht.
Auf der Website des digitalcourage.de ist das Thema ebenfalls mit einem eigenen Beitrag präsent. Hier möchte ich besonders auf die in diesem Beitrag verlinkten Seiten verweisen:
- Rede von Rena Tangens auf einem Netzkongress in München
- Podiumsdiskussion auf DRadio Wissen zum Internet der Dinge
- Beitrag von Kai Biermann in der Zeit zur Gefahr der Aushebelung des Solidarprinzips