Technik ist eine Antwort - aber was ist eigentlich die Frage?

Wird heute in einem Gespräch die Frage aufgeworfen, wie ein "alternatives" Leben aussehen könnte, so werden dabei häufig Bilder von einfacher Landwirtschaft zur Selbstversorgung und von handwerklichen Tätigkeiten zur Herstellung der nötigen Gebrauchsgüter zitiert. HighTech? - Nein, das kann ja wohl nicht sein.

Warum ist an dieser Stelle eine allgemeine Technikfeindlichkeit so ausgeprägt? Vielleicht, weil immer wieder die Erfahrung gemacht wird, dass Technik vor allem im Interesse des Profits der großen Unternehmen missbraucht wird.

Ist daran aber die Technik schuld? Oder sind nicht eher die gesellschaftlichen Bedingungen, unter denen die Technik entwickelt und angewendet wird das Problem? Wie es auch anders gehen könnte, wird in diesem Beitrag dargestellt.

(Der Beitrag ist aus dem Jahr 2005)


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Vorbemerkungen 

"Die Menschen sind geneigt, die Technik für die Sache selbst, für Selbstzweck, für eine Kraft eigenen Wesens zu halten und darüber zu vergessen, dass sie der verlängerte Arm der Menschen ist. Die Mittel - und Technik ist ein Inbegriff von Mitteln zur Selbsterhaltung der Gattung Mensch - werden fetischisiert, weil die Zwecke - ein menschenwürdiges Leben - verdeckt und vom Bewußtsein der Menschen abgeschnitten sind." (ADORNO 1971:100)

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Technik zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse 

Wenn die Rede davon ist, wie unsere Gesellschaft heute und in Zukunft aussehen kann, damit alle Menschen diese als lebenswert empfinden, dann gehört mit Sicherheit die Frage dazu, wie die Menschen ihre Bedürfnisse befriedigen.

Vor dem "Wie" steht jedoch erst einmal das "Was" - also: Was sind denn menschliche Bedürfnisse? Neben den konsumtiven Bedürfnissen, die beispielsweise die Bereiche der Ernährung, der Kleidung, des Wohnens aber auch des Austausches, der Kultur, der Gemeinschaft, der Liebe umfassen sind das auch produktive Bedürfnisse. Ich möchte Liebe und Geborgenheit nicht nur erfahren, sondern auch geben. Ich möchte irgendetwas leisten, was von mir bleibt, was ich anderen gebe. Ich meine sogar, dass dieses Sich-produktiv-Betätigen zu einem der Grundbedürfnisse der Menschen gehört, genauso, wie Essen und Kleiden und Wohnen. Das sollte uns hoffen lassen, dass auch unter völlig freiwilligen Bedingungen die notwendige Arbeit nicht liegen bleibt. Da das individuelle Wohlbefinden auch sehr vom Lebensumfeld abhängt, wird somit auch die Frage, wer das Klo putzt oder den Abwasch erledigt, zu den ständigen, aber durchaus lösbaren Problemen gehören.

Die Menschen haben schon immer auch technische Hilfsmittel zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse genutzt. Während in der fernen Vergangenheit die Entwicklung dieser technischen Hilfsmittel vor allem dazu diente, die Bedürfnisse der Menschen effektiver zu befriedigen, ist das heute kaum noch der Fall. Niemand wird wohl bestreiten, dass die Erfindung des Pfluges ein Segen für die Menschen war und ist und damit der Arbeitsaufwand für die Erzeugung von Getreide und anderen Feldfrüchten drastisch reduziert werden konnte. Die dadurch frei werdende Zeit konnte für die Muße oder für das Aufkommen neuer Bedürfnisse und deren Befriedigung verwendet werden...

Heute dient die Entwicklung technischer Mittel i. a. nicht mehr nur direkt der Bedürfnisbefriedigung, sondern vor allem der Profiterwirtschaftung und Ausplünderung der Welt durch das Kapital. Dabei wird die Technik nicht nur missbraucht, sondern sie wendet sich in ihrer konkreten Ausgestaltung sogar gegen die Bedürfnisse der Menschen indem sie deren unmittelbaren Lebensgrundlagen bedroht.

Diesen Missbrauch der Technik durch das Kapital unter dem Vorwand, damit Bedürfnisse zu befriedigen lehne ich rundweg ab. Aber: Ohne geeignete Technik wird auch in Zukunft keine angemessene Bedürfnisbefriedigung aller Menschen in angemessenen ökonomischen und ökologischen Zusammenhängen möglich sein. Es geht nicht nur um Technik - aber auch um Technik.

Ich möchte das an einem Beispiel deutlich machen. Wenn heute der Flugverkehr und dessen immer weitere Zunahme missbilligt wird, weil dadurch die Atmosphäre unnötig belastet und für unsere Kinder und Enkel geschädigt wird, dann sind nicht die Flugzeuge und die damit verbundene Technik zu verurteilen, sondern die Zwänge, die dazu führen, dass Flugzeuge massenhaft genutzt werden.

Als Ausgangspunkt dieses Problems sehe ich das Bedürfnis vieler Menschen, diese Welt, ihre Schönheiten, ihre Kulturen und ihre Menschen kennen zu lernen. Dagegen ist nichts zu sagen, auch ich habe dieses Bedürfnis und möchte es mir nicht ausreden lassen. Unter den heute verbreiteten Rahmenbedingungen eines Lohnjobs habe ich etwa fünf Wochen Urlaub im Jahr, den ich auch nicht aufsammeln kann. Wenn ich also den Grand Canyon in den USA erleben möchte muss ich zwangsläufig ein Flugzeug für die Reise nehmen. Mit allen genannten Problemen.

Wäre ich diesen Zwängen durch den Job nicht ausgesetzt und könnte beispielsweise ein Jahr Urlaub machen, wäre es mir durchaus möglich mit einem Segelboot nach Nordamerika und dort vielleicht mit einem Elektro-(:)-Fahrrad zum Grand Canyon zu fahren und ich würde dabei sicher auch noch viel mehr erleben, weil ich unmittelbaren Kontakt mit vielen dort lebenden Menschen hätte. Mir wäre das viel lieber.

Was soll ich also tun? - Einfach das Bedürfnis unbefriedigt lassen? Das empfände ich als ungerecht - warum gerade ich? Oder meinen Job deswegen aufgeben? Ich weiß nicht, was meine Familie dazu sagen würde. Es gibt keine einfache Lösung. Aber eines wird vielleicht deutlich: Es ist nicht die Technik als solche, die problematisch ist. Es sind die Ziele, für die sie entwickelt wird, die hinterfragt werden müssen. Es sind die Interessen, für die Technik angewendet wird, die analysiert und gewertet werden müssen.

Ich stelle mir vor, dass auch in Zukunft Hubschrauber beispielsweise nötig sein werden, sei es um Menschen in Not zu helfen. Ob dieses Fluggerät dann mit Benzin als Energiequelle fliegen und so einen immensen Krach machen muss, sei dahingestellt. Es wäre schön, wenn diese Technik weiterentwickelt werden würde. Aber bitte in dem genannten Interesse, nicht mit dem Ziel, dass irgendeine Firma damit Geld verdient und vielleicht sogar noch das neue Fluggerät für militärische Interessen missbraucht wird.

Ein herrschaftsfreies Leben darf nicht von technischen "Sachzwängen" beherrscht werden. Solche "Sachzwänge" wären z. B. dann gegeben, wenn eine ausreichende Versorgung mit technisch erzeugten Gütern nur über zentralistisch gesteuerte Fließbandproduktionsmaschinerien (Megamaschine) möglich wäre, die natürlich immer ihre eigenen Interessen verfolgen wird. Es ist deshalb notwendig, eine Technik zu entwickeln und zu nutzen, die eine individuelle Selbstbestimmung, d. h. die Entfaltung der eigenen Persönlichkeit im wechselseitigen Miteinander ermöglicht. Die Koordination erfolgt dann nicht über fremde Instanzen (Kapitalinvestitionen, politische Führungsentscheidungen, anonyme Märkte), sondern direkt über die Selbstorganisierung der Beteiligten, wie beispielsweise bei der Freien Softwareentwicklung.

Die hier wesentlichen Prinzipien der individuellen Selbstentfaltung und kollektiven Selbstorganisierung sichern auch ab, dass kein "Modell" für alle Menschen dieser Erde verpflichtend wird. Wer keinen Computer benutzen will, muss das auch nicht tun. Mit diesem Prinzip haben alle Menschen in den jeweiligen Regionen die Möglichkeit, ihren Bedingungen und Bedürfnissen gemäß die jeweils angemessenen technischen Lösungen und Organisationsformen zu nutzen und zu entwickeln. In diesem Sinne unterstelle ich auch, dass die Menschen - wenn sie wirklich über ihr Leben selbst bestimmen können - wohl kaum unökologische technische Lösungen favorisieren werden.

Ausgeschlossen sind demnach technische Lösungen, bei denen kleine Menschengruppen über das von ihnen genutzte Gebiet hinaus die Lebensräume bzw. Lebensinteressen anderer Menschen nachhaltig schädigen würden. Das schließt beispielsweise die Kernenergie als Technik zur Energiegewinnung aus - aber auch die jetzigen Formen der Mobilität, die, wie obiges Beispiel zeigt, durch die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen erzwungen werden. Andere Projekte, wie beispielsweise die Raumfahrt, wird es nur dann geben, wenn eine hinreichende Anzahl von Menschen freiwillig, aus ihren eigenen Interessen heraus, genügend Ressourcen dafür zur Verfügung stellt. Beispielsweise, um eine vernünftige Wettervorhersage zu haben oder eine weltweite, sichere Navigation zu ermöglichen.

Es wird darum gehen, dass alle Menschen selbst erfahren, welche Aufwendungen für die Befriedigung ihrer Bedürfnisse nötig sind, und dann selbst entscheiden, ob und wie sie diese befriedigen.

Wie ist das aber mit den Bedürfnissen, die zweifellos von jedem als Grundbedürfnisse anerkannt werden: Tägliche Nahrung, angemessene Kleidung, Information, Kultur? Welchen Aufwand will ich dafür treiben? Ich kann mir ebenso wenig vorstellen, dass ich persönlich ein Feld bestelle um Brot essen zu können, wie ich mir vorstellen kann, ein Fahrrad zu bauen, dass meinen Vorstellungen und Wünschen genügt. Ich spreche da aus Erfahrung: Mein Fahrrad betrachte ich als High-Tech-Maschine, die ich zur Wartung in die Fachwerkstatt bringen muss obwohl ich mich handwerklich gewiss nicht als ungeschickt einstufen würde. Und so oder ähnlich wird es vermutlich vielen Menschen gehen.

Es steht also die Frage, ob die Produktion der als nötig befundenen materiellen Güter nicht auf Grundlage einer möglichst hohen, Lebenszeit sparenden Arbeitsproduktivität erfolgen sollte - soweit sich nicht jemand die Zeit nimmt, die Löffel zu schnitzen und die Tassen zu töpfern die er braucht, was natürlich jederzeit auch möglich sein soll.

Berücksichtige ich all die genannten Aspekte, so bleibt die Frage, ob es überhaupt eine Möglichkeit gibt, einerseits eine hohe Arbeitsproduktivität und andererseits eine selbstbestimmt-kooperative Produktionsweise unter einen Hut zu bekommen. Bisher musste diese Frage offen bleiben mit der eindeutigen Tendenz zur Verneinung. Der Widerspruch: "Entweder hohe Arbeitsproduktivität, dann aber Ausbeutung, Entfremdung und Naturzerstörung" oder "Ökologie und Selbstbestimmung - aber nur mit geringer Arbeitsproduktivität, d. h. viel Arbeitsaufwand für alltägliche Dinge" ließ faktisch keine Alternative, die zukunftsfähig wäre. Mittlerweile gibt es jedoch Ansätze, die eine hoffnungsvollere Antwort auf diese Frage ermöglichen. Diese Ansätze, die gegenwärtig fast ausnahmslos kapitalistisch entwickelt und genutzt werden, bergen das Potential in sich, das oben dargestellte Dilemma lösen zu können und sie sollen nachfolgend vorgestellt werden.

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Do it yourself - aber bitte auf hohem Niveau 

Eine Produktionsweise, die auf individueller Selbstentfaltung und kollektiver Selbstorganisierung beruht, ist im Prinzip die Weiterentwicklung des "Do it yourself"-Gedankens. Die ersten Anzeichen einer solchen Umstellung des alltäglichen Lebens, hin zum "Selbermachen" statt "Kaufen" erleben wir alle heute schon. Als Beispiel sei hier nur genannt, wie wir mit Musik umgehen: Früher wurden Schallplatten gekauft für zu Hause und Tonbandkassetten für das Auto. Heute leihen wir uns die CD von Bekannten und brennen die Titel, die wir gern hätten einfach selber am PC. Vielfach wird die gewünschte Musik inzwischen auch einfach per Internet auf den heimischen PC gespielt und als MP3-Datei nach Belieben weiter verwendet. Die Konsequenzen für die Musikindustrie sind bekannt: Umsatzeinbrüche, derart, dass das Heulen und Zähneklappern bei den großen Labels ausgebrochen ist.

Ein weiteres Beispiel: Zunehmend weniger Menschen nehmen heute die Dienstleistung einer Druckerei in Anspruch. Solche Dinge wie Visitenkarten, Einladungen selbst zu hochgestochenen Veranstaltungen macht (fast) jeder selbst auf seinem PC.

Oder nehmen wir die Fotografie - die Entwicklung zeichnet sich langsam ab: Digitalfotografie ist der Renner. Was wird dann aber aus den klassischen Fotolaboren? Alle, die sich in meiner Bekanntschaft einen Digitalfotoapparat gekauft haben, haben sehr schnell dessen Vorteile schätzen gelernt und bearbeiten ihre Bilder selber. Urlaubserinnerung ist dann nicht mehr das Flip-Fotoalbum mit den Papierbildern, sondern die selbstgebrannte CD mit den bearbeiteten, kommentierten und mit Musik hinterlegten Bildern, die auf jedem DVD-Player am Fernsehgerät vorgeführt werden kann. Vor kurzem wurde gemeldet, dass die Firma "Agfa", Erfinderin des Farbfilms, Insolvenz angemeldet hat...

Das sind Beispiele genau einer dezentralisierten, individuellen Nutzung von Technik zur Befriedigung der individuellen Bedürfnisse. Dinge, die man für sich benötigt werden nicht gekauft, sondern einfach selber erstellt. Und dabei macht das auch noch viel mehr Spaß. "Reich" werden kann damit niemand - aber das ist auch nicht der Zweck dieser Art der "Produktion". Zweck ist einzig und allein der Gebrauch der hergestellten Dinge, nicht deren Verkauf.

Es ist heute schon keine Utopie mehr, dass wesentlich kompliziertere Dinge als individuell gebrannte CDs hergestellt werden können. Bereits heute werden im klassischen Produktionsprozess sogenannte Fabrikatoren für die Herstellung von Modellen, Einzelstücken und bereits auch für Kleinserien von hochkomplexen Gegenständen eingesetzt. Unter Fabrikatoren versteht man komplexe Maschinen, die, in Verbindung mit leistungsfähigen Rechnern, dreidimensionale Gegenstände schichtweise herstellen. Mit diesem Verfahren kann man Handyschalen genauso herstellen wie Motorenblöcke und zwar nicht als Modell, sondern voll gebrauchsfähig. Die Entwicklung geht bereits soweit, dass gedruckte, elektrisch funktionierende, dreidimensionale Schaltungen durch diese Maschinen hergestellt werden können. Damit lässt sich perspektivisch sogar ein Mikroprozessor individuell herstellen. Die nötige Information für den Steuerrechner der Maschine, die den Chip herstellt, könnte heute schon per Internet an jede Stelle auf der Welt übermittelt werden.

Es sei hier betont, dass es bei der dezentralen Produktion von Gebrauchsgegenständen nicht darum geht, die eigenen Tomaten zu züchten oder eine Holzbank um den Ofen herzustellen, sondern es geht um die Herstellung hochmoderner, technisch anspruchsvoller, ökologisch unbedenklicher Dinge, die heute zu einem bequemen Leben gehören. Dazu rechne ich einen PC mit Drucker und Internetzugang genauso wie ein Handy, einen DVD-Player oder auch ein Fahrrad, das mehr kann als quietschen.

Modell eines CD-Players
[Quelle: externer Linkwww.sweden.se]
Modell eines Beamers
[Quelle: externer Linkwww.ma-design.de]
Modell eines multifunktionalen Rades, hier als Personenrad
[Quelle: externer Linkwww.form-gestaltung.de]

Beispiele dafür, wie solche Gebrauchsgegenstände aussehen könnten, findet man auch heute bereits im Web ohne allzu lange danach suchen zu müssen. Gerade die Dezentralisierung ermöglicht die Herstellung solcher individuellen Dinge, denn es gibt keine Serienproduktion im althergebrachten Sinne. Die Herstellung, beispielsweise eines Autos, auf diese Weise könnte folgendermaßen ablaufen:

Ausgangspunkt sind die Konstruktions-Daten des Erzeugnisses. Es ist bereits heute auch in kleineren Unternehmen Standard, dass die Konstruktionsunterlagen für ein Werkstück nicht mehr als Zeichnung auf Papier vorliegen, sondern als in einem PC gespeicherte Daten. Diese Daten werden direkt zur Steuerung der Maschine verwendet, auf der das Werkstück dann gefertigt wird. In unserem Beispiel sind sämtliche Daten für die Herstellung der Einzelteile des Autos gespeichert. Diese Daten können, beispielsweise per Internet, weltweit abgerufen werden. Auch das ist heute bereits der übliche Stand der Technik.

Relativ neu und im heutigen Alltag noch nicht sehr verbreitet, ist der nächste Schritt: das direkte Herstellen der benötigten Einzelteile mit Hilfe sogenannter "generativer Fertigungsverfahren". Dabei erfolgt die Formgebung nicht wie beim Drehen oder Fräsen durch Abtragen von Material, sondern das Bauteil entsteht durch Aneinanderfügen von Volumenelementen, in aller Regel von Schichten. Als Ausgangsmaterial dienen vor allem Pulver, aber auch Flüssigkeiten. Auf diese Weise werden die Einzelteile, die für das Auto benötigt werden hergestellt. Dabei kann jeder (in mehr oder weniger begrenztem Umfang) seine eigene Kreativität einbringen und sich damit "sein" Auto herstellen. Nicht "sein" Auto im Sinne des heutigen Eigentumsverständnisses, sondern "sein" Auto im Sinne der angemessenen Befriedigung seines Bedürfnisses nach Mobilität und Transport. Dieses Auto wird sicherlich völlig anders konstruiert sein müssen als heute: langlebig, reparaturfreundlich, sicher. Und gewiss wird es auch von vielen Menschen genutzt werden und nicht 98% seiner Lebenszeit als "ruhender Verkehr" verbringen, wie das für heutige Autos im Durchschnitt der Fall ist...

Die Montage der Einzelteile erfolgt in kleinen Werkstätten, die von mehreren Menschen gemeinsam genutzt werden und wo bei Bedarf auch Hilfe und Unterstützung verfügbar ist. Auch mobile Werkstätten, die dort jeweils stationiert werden, wo ein entsprechender Bedarf gegeben ist, sind denkbar.

Diese zusammenhängende Darstellung eines solchen Produktionsprozesses habe ich das erste Mal in einem Vortrag von Frithjof Bergmann gehört. Dabei wollten viele Zuhörerinnen und Zuhörer einfach nicht glauben, dass es möglich ist, die Herstellung von Gebrauchsgegenständen ohne fremde Vermittlung über Märkte oder Planvorgaben selbstbestimmt zu koordinieren. Wie gesagt - diese Art der Produktion ist grundsätzlich bereits heute machbar.

Sie wird, in anderen Zusammenhängen, auch heute bereits praktiziert: So ist der Bau von Prototypen ein notwendiger Prozess zur Erprobung von Bauteil- und Betriebsmitteleigenschaften vor der eigentlichen Produktion. Herkömmlicherweise ist der Bau von Prototypen mit hohen Kosten verbunden und dauert sehr lange. Rapid Prototyping (RP)-Prozesse hingegen erlauben eine schnelle Herstellung physischer Prototypen.

Der Einsatz dieser Prozesse ermöglicht darüber hinaus die Herstellung von Prototypenteilen, ohne dass besondere handwerkliche Fähigkeiten seitens eines Modellbauers benötigt werden. Die Bauteile sind bereits in einer sehr frühen Entwicklungsphase verfügbar, wodurch viele einzelne Anpassungsschritte eingespart und somit Kosten minimiert werden können. In einem Rapid Prototyping Prozess wird als Erstes das Bauteil in einem 3D-CAD System konstruiert. Das Vorhandensein eines virtuellen 3D-Modells in einem Computer, verhindert Fehler, die in der Vergangenheit bei der Interpretation von technischen Zeichnungen auftraten.

Für den eigentlichen Herstellungsprozess des Bauteils im Prozess des Rapid Prototypings (RP) werden bestimmte Ausgangsstoffe in flüssiger, pulverförmiger oder fester Form benötigt. Diese Ausgangsstoffe werden auf den verschiedenen Maschinensystemen nach unterschiedlichen physikalischen Prinzipien verarbeitet. Im Gegensatz zu den spanenden Fertigungsverfahren findet beim Rapid Prototyping kein Materialabtrag, sondern ein schichtweiser Materialaufbau zur Erzeugung des Bauteils statt.

Dadurch sind die RP-Prozesse hinsichtlich der zu erzeugenden Geometrie nicht beschränkt. So sind komplexe Geometrien und sogar Hohlräume herstellbar. Die Steuerung dieser Maschinensysteme erfolgt über eine entsprechende Software, die das virtuelle 3D-Modell entsprechend umsetzt. Der Prozess mit dem des "Ausdruckens" des Modells vergleichbar, wobei der "Druck" natürlich 3-dimensional ist. Verwendet man diese Verfahren um nicht nur Prototypen, sondern gleich eine (Klein-)Serie von Bauteilen herzustellen, so bezeichnet man diesen Prozess als Rapid Manufacturing.

Zwei Beispiele für Technologien, wie sie für das Rapid Prototyping heute angewendet werden, sollen nachfolgend kurz vorgestellt werden:

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Selektiv Laser Melting Technologie (SLM) 

Sie wird seit etwa 1995 in enger Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer Institut für Lasertechnik (ILT, Aachen) entwickelt. Die Besonderheit dieses Verfahrens ist, dass erstmals aus handelsüblichen einkomponentigen Metallpulvern (ohne Zusätze von Bindemitteln), mit Korngrößen zwischen 10-30 µm, 100% dichte Teile in einem Rapid Manufacturing Verfahren hergestellt werden können. Die Pulverpalette reicht zurzeit von Aluminiumpulver über Edelstahlpulver bis zum Werkzeugstahlpulver.

Besonders durch die Verarbeitung von Werkzeugstahl erreichen die mit diesem Verfahren hergestellten Bauteile ausgezeichnete Werte bezüglich Belastbarkeit und Verschleißfestigkeit. So wurden bereits 1997 Formeinsätze für Kunststoffspritzgusswerkzeuge in Zusammenarbeit mit Industriepartnern getestet. Das Anwendungspotential solcher Bauteile geht über die Verwendung als Prototypenwerkzeug hinaus bis zum Einsatz als Kleinserienwerkzeug.

Da die SLM-Teile 100% Dichte aufweisen und ähnliche Materialparameter wie herkömmlich hergestellte Teile aufweisen, können sie wie konventionelle Metallteile bearbeitet werden. Dazu gehören das Bohren, Fräsen, Gewindeschneiden, und Polieren.

Mit dem FS-REALIZER führt die Firma F&S Stereolithographietechnik GmbH eine neuartige Rapid Tooling Maschine ein, die erstmalig in der Lage ist aus handelsüblichen Metallpulvern 100% dichte Teile zu fertigen. Die Teile oder speziell Werkzeuge werden, wie bei anderen Rapid Prototyping Anwendungen, schichtweise aufgebaut. Dabei wird das verwendete Pulver mit einem intensiven Laserstrahl, der gemäß der jeweiligen Schichtgeometrie geführt wird, lokal begrenzt aufgeschmolzen. Mit dem SLM-Verfahren ist es möglich feinste Details, wie z. B. dünne Wände mit weniger als 100 µm Dicke, zu bauen. Direkt nach dem Bauprozess weisen die Teile oder Werkzeuge Rauhigkeitswerte von 10-30 µm an den Oberflächen auf.
Im SLM-Prozess hergestellte Wärmetauscher. M 12 - Schraube, gefertigt aus Edelstahl im SLM- Prozess und die dazugehörige Norm-Mutter. Die Teile passen ohne Nacharbeit zusammen. Rechts: Aufnahme von Stahlpulver mit einem Raster-Elektronenmikroskop. Dieses Pulver ist das Ausgangsmaterial für den SLM-Prozess.

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Stereolithographie (SLA) 

Die Stereolithographie polymerisiert ein flüssiges Monomer durch Licht. Unter Einwirkung von UV-Licht verketten sich die Monomere zu Polymeren, wodurch das Material in den festen Zustand übergeht. Die Laser-Scannereinheit belichtet schraffurartig eine definierte Fläche auf der Oberfläche des flüssigen Monomers und härtet auf diese Weise mit einer bestimmten Eindringtiefe eine Schicht des zu fertigenden Modells aus.

Die Trägerplattform trägt bei diesem Vorgang das eigentliche Modell und ein "Fahrstuhl" sorgt dafür, dass es von Schicht zu Schicht um die definierte Schichtdicke abgesenkt wird. Danach erfolgt eine erneute Beschichtung, wobei das Monomer in definierter Dicke über die vorherige feste Schicht aufgebracht wird. Darauf erfolgt die Belichtung der nächsten Schicht. Als Verbindung zwischen Modell und Bauplattform sind bei diesem SL-Prozess Stützen notwendig, die von der Maschine während des Bauvorgangs generiert werden. Nach der Schichtengenerierung erfolgt eine Reinigung mit einem Lösungsmittel, Entfernung der Stützen und Nachvernetzung der Modelle unter UV Licht.

Die Stereolithographie ist an die Verwendung eines Photopolymers geknüpft. Deshalb werden Kunststoffe verwendet. Epoxydharz ist hier der Standardwerkstoff. Es gibt verschiedene Typen von Harz, durch die man bestimmte Eigenschaften erreichen kann. Die Harze können z. B. entweder besonders maßgenau, temperaturbeständig, elastisch oder wasserfest sein. Durch geeignete Folgeprozesse ist die Materialpalette für die Modelle stark erweiterbar.


Links: Farbiger Akkuschrauber der Firma Ryobi, deren Gehäuse mit dem SLA-Verfahren hergestellt wurden.
[Quelle: externer Linkwww.3dsystems.com]

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Aktuelle Entwicklungen 

Im Frühjahr 2005 wurde ein Arbeitsergebnis einer Arbeitsgruppe der Universität Bath (Großbritannien) veröffentlicht, der es gelang, eine Maschine mit RP-Verfahren sich selbst reproduzieren zu lassen. Das bedeutet, dass mit RP-Technologie alle wesentlichen Bauteile einer Maschine durch diese selbst hergestellt werden konnten. Eine solche Maschine wird als Replicating Rapid-Prototyper (RepRap) bezeichnet. Die dabei erreichten Ergebnisse wurden unter die GNU General Public License - wie bei der Freien Software - gestellt und sind damit für jeden frei nutzbar und nicht erneut privatrechtlich patentierbar.

Darüber hinaus wurden erste Ergebnisse bei der Nutzung von HDPE (Hochdruck-PolyEthylen), ein Material aus dem viele Alltagsgegenstände hergestellt werden und welches als Recyclingmaterial häufig anfällt, für RP-Prozesse in einer Einrichtung in Neuseeland erzielt. Auch diese Ergebnisse wurden unter die GNU General Public License gestellt.

Beide Ergebnisse, insbesondere deren Verfügbarkeit unter der GNU General Public License, lassen für die Zukunft auf eine Verwendung in dem oben beschriebenen Sinne mehr als hoffen.

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"Zweite Ökonomie" mit anderen Zielen 

Wenn in solchen dezentral vernetzten Strukturen die benötigten Dinge hergestellt werden, entsteht damit eine "Zweite Ökonomie": In ihr werden die Dinge hergestellt, die man benötigt - für sich selber, nicht für den Markt. Je mehr Menschen so handeln, umso mehr wird das Gewicht der "Ersten Ökonomie" wie wir sie jetzt kennen und die mit bezahlten Arbeitsplätzen zu tun hat, abnehmen und das Gewicht des "Selber-Machens" zunehmen. Ein Beispiel dafür, das diese Tendenz heute bereits sichtbar macht, ist die oben bereits erwähnte Musikindustrie.

Die Besonderheit der beschriebenen Prozesse ist, dass es damit prinzipiell möglich ist, auch solche Bedürfnisse der Menschen zu befriedigen, die ich als "Bedürfnisse eines bequemen Lebens" bezeichnen würde und die in einer zukünftigen Gesellschaft m. E. auch unbedingt befriedigt werden müssen. Bisher war das nur über eine zentral geleitete hierarchische, die Lebensbedingungen der Menschen potentiell bedrohende, Massenproduzierende und profitorientierte Industrie möglich.

Im Rahmen einer dezentral vernetzten High-Tech-Produktion ist die Befriedigung dieser Bedürfnisse in angemessener Weise selbstbestimmt und selbstorganisiert, also herrschaftsfrei möglich. Dass das auch ökologisch gemacht wird, versteht sich wohl von selbst.

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Quellen: ADORNO, TH. W., Erziehung zur Mündigkeit, Suhrkamp 1971

Weitere Informationen sind im WWW unter folgenden Adressen verfügbar: 

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