Für und wider DESERTEC

Kaum ein Projekt ist von Beginn an so umstritten wie DESERTEC. Hier scheiden sich auch die Geister, die grundsätzlich in dieselbe regenerative Energiezukunft wollen wie IPPNW und Greenpeace. Es geht nicht mehr allein darum, sich für erneuerbare, insbesondere Solarenergie einzusetzen, sondern es scheint auch verhängnisvolle Tendenzen zu geben in diesem Bereich und DESERTEC steht für viele dafür.

Supergrid für das Projekt DESERTEC

Supergrid für das Projekt DESERTEC (Quelle: Wikipedia: DESERTEC)

DESERTEC stellt sich die Aufgabe, ein Sechstel des für 2050 prognostizierten Stromverbrauchs für Europa durch solar-thermische Anlagen im Nahen Osten und in Nordafrika zu erzeugen und über ein verlustarmes „Supergrid“ nach Europa zu liefern. Das wären ca. 700 Milliarden kWh. Leitungsverluste sind mit Gleichstromnetzen sehr gering (3% auf 1000 km) und die 2-3 fach höhere Sonneneinstrahlung in den Erzeugungsgebieten gleicht den erhöhten Transportaufwand mehr als aus.

Damit will DESERTEC „eine integrierte Lösung für eine Reihe von globalen Kernproblemen der kommenden Jahrzehnte: Energiemangel, Wassermangel, Nahrungsmittelknappheit und Klimawandel“ (DESERTEC: Red Paper) bieten.

Funktionsweise der Funktionsweise der thermischen Solarenergieproduktion


Funktionsweise der Funktionsweise der thermischen Solarenergieproduktion (Quelle: http://www.youtube.com/watch?v=QXURvISjh2A)

Die technische Grundlage besteht in solarthermischen Kraftwerken (CSP: Concentrating Solar Power). Große Spiegel, die mit der Sonne nachgeführt werden, bündeln das Licht wie in einem Brennglas. Im Fokus können aus der konzentrierten Energie Stoffe erhitzt und die entstehenden Dämpfe in Turbinen zur Stromerzeugung eingesetzt werden. Als besonders vorteilhaft wird die Speichermöglichkeit von erhitzten Stoffen, z.B. Salzen, bewertet, die über Nacht den am Tag gespeicherten Strom abgeben können.

DESERTEC bietet sich deshalb als optimale Ergänzung im entstehenden erneuerbaren Energiemix der Zukunft an.

„Da die heimischen, regelbaren erneuerbaren Energiequellen begrenzt sind, ist der Import von gut speicher- und regelbarem Solarstrom (“Strom nach Bedarf“) eine ideale Ergänzung zum heimischen Energiemix.“ (DESERTEC-FAQ)

Kritisiert wird an dieser Initiative vor allem ihr zentralistischer Charakter. Demnach wollen die Energieversorgungs-Saurier auf den Trend zu erneuerbaren Energien aufspringen, ohne ihre Macht strukturell aufgeben zu müssen. Hermann Scheer meint dazu:

„Vor allem aber geht es um ökonomische Strukturen. Wie sähe unsere Wirtschaftsstruktur aus, wenn alle Produktionen mittelständischer Firmen ersetzt würden durch Großkonzerne, weil diese durch Massenfertigung zu niedrigen Stückkosten kommen können? Die Wirtschaft wäre weniger innovativ, es gäbe Preisdiktate, ganze Wirtschaftsregionen würden versteppen und die Verkehrsströme zunehmen, und es gäbe weniger Arbeitsplätze. Eine nur mit erneuerbaren Energien mögliche Dezentralisierung der Stromerzeugung in vielen Händen mit einem Comeback der Stadtwerke ermöglicht überall regionale Wertschöpfung.“ (Scheer 2009a)

Und weiter:

„Es ist ein fundamentaler volkswirtschaftlicher Unterschied, ob sie dezentral produziert werden, die Wertschöpfung also dezentral erfolgt, oder durch Großkraftwerke mit konzentrierter monopolisierter Wertschöpfung.“ (Scheer 2009b)

Eine ähnliche Kritik vertritt der IPPNW:

„Das Geschäftsmodell der Wüstenstromerzeugung ist identisch mit dem bei fossilen und nuklearen Großkraftwerken: Der durch staatliche Subventionen und Privilegien relativ günstig erzeugte Strom wird zu weit überhöhten Preisen an die Bevölkerung verkauft.“ (IPPNW 2009)

Dem wird in vielen Meldungen pro DESERTEC vehement widersprochen:

„Ohne großindustrielle Initiativen sind Zukunftstechnologien in keinem Sektor zu stemmen – ob es um Computertechnik, Mobilität oder Energieproduktion geht. Ergänzend dazu ist natürlich eine dezentrale, zum Beispiel kraft-wärme-gekoppelte Energieerzeugung denkbar. Ohne die Nutzung von großindustriellen Skaleneffekten aber ist die Umstellung der Weltenergieproduktion auf CO2-freie, regenerative Energieproduktion nicht ernsthaft darstellbar.“ (Wetzel u.a., Welt-Online)

Der Vorteil von DESERTEC besteht eindeutig in der Behebung des Speicher- und Grundlastdefizits der unregelmäßigen regionalen erneuerbaren Energien und gleichzeitig scheint die Beschränkung auf lediglich 15 % bis 20 % Anteil des Imports an der Nutzung erneuerbarer Energien hier vor Ort den Vorwurf der zentralistischen Monopolisierung zu widerlegen.
Entwicklung der Anteile verschiedener Energiequellen für Europa


Entwicklung der Anteile verschiedener Energiequellen für Europa (DLR: TRANS-CSP: 115)

Schauen wir uns diese Abbildung genauer an, so sehen wir, dass tatsächlich die erneuerbaren Energien in Europa selbst auch weitere Anteile an der Energieproduktion gewinnen. Allerdings stellt DESERTEC tatsächlich ein Stoppschild für einige ambitionierte Pläne der Photovoltaik dar. Die Photovoltaik wird eindeutig nicht ab 2015 zu „einer Hauptenergiequelle“ (Milner 2009) werden. Gerhard Stryi-Hipp, Geschäftsführer des Bundesverbands Solarwirtschaft (BSW-Solar) geht davon aus, dass Photovoltaik langfristig 30 % des Strombedarfs decken kann (Podiumsdiskussion 2007: 153). Anton Milner plant mit einer photovoltaischen Stromproduktion von 210 bis 420 TWh bereits für 2020 (Milner 2008) – Der DESERTEC-Plan sieht aber sogar für 2050 lediglich ca. 200 TWh für die PV vor. Für viele Investoren mag deshalb DESERTEC eine Alternative gegenüber der doch recht riskanten Anlage im Bereich der Photovoltaik, in der es gerade einen starken Verdrängungswettbewerb gibt, sein – was wiederum den PV-Befürwortern natürlich nicht gelegen kommt.

Energiewirtschaftlich gesehen macht es jedoch durchaus Sinn, diejenigen Energiequellen bevorzugt zu verwenden, die höhere Energiedichten vorweisen können, wenn der Transportaufwand vertretbar ist. Wenn es keine politischen Unruheherde und keine Profitdominanz in der Wirtschaft gäbe, könnte eine optimale Ergänzung der verschiedenen regenerativen Energiequellen Synergieeffekte hervorbringen, die allerdings eine grundlegend andere Wirtschaftsstruktur voraus setzen. Dann würde sich z.B. nicht mehr die Energienachfrage nach den Produktionserfordernissen richten müssen, sondern die Produktion könnte intelligent entsprechend der gerade anfallenden regenerativen Energie gesteuert werden. Außerdem könnten dann Öko- und Life-Cycle-Bilanzen für die jeweiligen Energietechniken zu Rate gezogen werden (vgl. Schlemm 2009), um wirklich eine ökologisch optimale Energieversorgung zu ermöglichen, anstatt solche Entscheidungen den Marktkräften und dem Lobbyismus zu überlassen.

Es ist also insgesamt nicht einfach, hier eine fundierte Position zu beziehen. Befürworter wie Gegner haben Argumente auf ihrer Seite. Rein technisch, organisatorisch bzw. finanztechnisch haben die Gegenargumente wenig Bestand – bedeutsamer erscheinen mir die Fragen der energetischen Machtpolitik. Es zeigt sich, dass auch in der Energiepolitik nicht automatisch eine anscheinend progressive Technologieform eine bessere Wirtschaftsweise mit sich bringt, sondern die Frage der gesellschaftlichen Verhältnisse und wirtschaftlichen Machtpositionen ein eigenständiges Problemfeld darstellt.
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Ein Gedanke zu „Für und wider DESERTEC

  1. felixei

    „Sind Sie noch ganz sauber!?“

    (…natürlich nur auf Ihren Strom bezogen!)

    Trotz dieses humoristischen Ansatzes ist das Thema saubere Umwelt in Verbindung mit dem Klimawandel überall präsent: Die Medien berichten in nie dagewesener Häufigkeit. Selbst die Staatschefs der führenden Industriestaaten haben im Zuge des Kopenhagener Klimagipfels im Dezember vergangenen Jahres versucht, Lösungen für die aufkommenden Probleme unseres Planeten zu finden. Ein Ansatz besteht in der stärkeren Nutzung erneuerbarer Energiequellen.

    Im Rahmen eines empirischen Forschungsprojektes der Dualen Hochschule Baden Württemberg in Stuttgart führen wir derzeit eine Befragung zum Thema „regenerative Energiegewinnung“ durch.

    Nur durch Ihre Mithilfe ist es uns möglich, wichtige Erkenntnisse über das Thema regenerative Energien zu gewinnen und mittels repräsentativer Ergebnisse den Erfolg des Projekts zu gewährleisten.
    Nehmen Sie sich bitte 10 Minuten Zeit und tragen Sie Ihren Teil zu einer repräsentativen Umfrage bei!

    Per Klick auf den nachfolgenden Link, starten Sie die Umfrage:

    http://ww3.unipark.de/uc/Duale_Hochschule_BW/

    Vielen Dank!

    Duale Hochschule Baden-Württemberg Stuttgart – Studiengang Industrie/Dienstleistungsmanagement WIN07E/F
    Zentrum für empirische Forschung – Wissenschaftliche Leitung: Prof. Dr. Marc Kuhn, Vanessa Kollmann, Yvonne Zajontz
    Projektleitung – Jasmin Lohmiller, Julian Blechinger, Bastian Böhm, Felix Eichhorn
    Kontakt – projekt.desertec@googlemail.com

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