„Wandel“ – das ist ein Zauberwort geworden. Als es 1989 um die „Erneuerung der Gesellschaft“ ging, hatten die Demonstranten „das Gefühl gehabt, dass man etwas dazu beitragen kann.“ So berichtet es ein Teilnehmer nachträglich in einem Film über Jena als Stadt im Wandel.
Jena hat es gut geschafft, beim Wandel hin zu einer prosperierenden Großstadt als erfolgreich zu gelten. Das sieht man vor allem an den hohen Mieten und den nicht ausreichend vorhandenen Unterkünften für Studierende. Vielleicht gerade deswegen brodelt es 20 Jahre nach dem großen Aufbruch im Talkessel wieder.
An der anstehenden Neugestaltung des zentralen Eichplatzes spalten sich die Geister ganz besonders.
Was bedeutet denn der Slogan von „unserer Stadt“? Wieso reichen die formalen Bahnen der Bürgermitbestimmung partout nicht aus und warum werden selbstorganisierte Bürgerinitiativen so barsch abgeblockt, statt sich als Stadtverwaltung in den Diensten der Bevölkerung zu sehen?
Glücklicherweise ist es heute einfacher, sich als Bürger im eigenen Interesse zu organisieren. Was damit erreicht wird, ist dann immer die zweite Frage. Aber Loslegen und Kämpfen ist immerhin gestattet.
In diesem Sinne fand die europaweite Bewegung „Transition Towns“ auch in Jena Anklang. Seit einigen Wochen trifft sich eine Initiativgruppe „Jena im Wandel“, die erste Website mit einem Wiki als gemeinsamer Online-Treffpunkt ist vorhanden und gestern fand im Café Wagner eine erste öffentliche Veranstaltung dazu statt.
Im gut gefüllten Café wurde über die Transition Town Initiative aus Dresden berichtet, zu den Anfängen in Jena informiert und mit Gästen aus verschiedenen Bereichen über die konkreten Bedingungen und Möglichkeiten in Jena diskutiert.
„Jena im Wandel“ will sich von den anderen Transition Town Initiativen vor allem dadurch unterscheiden, dass sie das Thema „weiter fasst“, also auf mehr abzielt, als die Stadt gegenüber den kommenden Krisen (Klimawandel, Peak Oil, Wirtschaftskrisen) krisensicherer zu machen. Das „mehr“ bezieht sich wohl darauf, dass auch Projekte mitmachen können sollen, die nicht speziell in Richtung einer „Energiewende“ oder „regionalen Wirtschaftskreisläufen“ aktiv sind. Ich fand aber eine kleine Formulierung des Vertreters aus Dresden bedenkenswert. Es geht bei aller Vielfalt dennoch um die Bereitschaft, das Eigene auch einmal unter dem Gesichtspunkt des notwendigen Übergangs zu einer nicht mehr auf Öl basierenden Lebens- und Wirtschaftsweise zu betrachten. Da 90% aller Wirtschaftstätigkeiten ans Öl gebunden sind, betrifft die Frage des Peak Oil übrigens nicht nur die Autofahrer. Der Initiator der Transition Towns Bewegung sieht in der Fokussierung auf die Krisen keine Entmutigung, sondern will aus ihr gerade lebenswerte neue Perspektiven gewinnen:
Anstatt […] also auf den Klimawandel und die rasante Ölverknappung als eine Katastrophe und ein Disaster zu schauen, können wir diese Phänomene als Chance sehen, unsere Lebenseinstellungen zu überdenken. (Bob Hopkins)
Die wenigen älteren Anwesenden kennen zum größten Teil bereits eine Fülle von auf- und abschwellenden sozialen und ökoorientierten Projekten, Initiativen und Netzwerken. Ist die „Transition Town“-Bewegung nur eine Neuauflage eines solchen bald wieder verebbenden Hypes? Oder stellt sie sich dem konsequent, was immer näher kommt? Bietet sie genau die Basis, auf der mensch sich den Herausforderungen angstfrei, weil kollektiv und visionär stellen kann? Oder verweigert auch sie den Realismus aus Angst vor der Angst?
Das Überleben angesichts historisch beinah einmaliger Umbrüche (Wegfall der energetischen Basis der Industriegesellschaft) soll ja nicht nur Notprogrammen folgen, sondern außerdem noch Spaß machen und lustvoll sein. Wie kriegen wir das hin?
Höchstwahrscheinlich nicht mit behördlicher Bunkermentalität, auch nicht mit der Überantwortung der Wandlungsprozesse an professionelle Agenturen, bei denen alles so „straff geplant“ ist (aus einem Absagebrief einer solchen Agentur an eine Bürgerinitiative), dass Bürgerengagement nur noch stört (ein anderes Beispiel dazu findet sich hier).
Also raffen wir uns auf. Ich höre grad öfter das Lied von bots: „Aufstehen“ mit den Zeilen:
Alle, die ihr Unbehagen immer nur im Magen tragen,
Nicht wagen was zu sagen, nur von ihrer Lage klagen, solln aufstehn.
…
Alle für die Nehmen schön wie Geben ist
Und Geld verdienen nicht das ganze Leben ist,
…
Und was wir kriegen sollen, nicht das ist, was wir wollen, solln aufstehn.
Sitzt Du etwa immer noch? Okay, dann beweg wenigstens Deine Finger und begib dich online zu Deiner Transition Town Initiative und sieh zu, dass Ihr da was zuwege bringt…. 😉
Es gibt einen weiteren Beitrag zum Thema „Jena im Wandel“ im Philosophenstübchenblog (http://philosophenstuebchen.wordpress.com/2011/07/27/jena-ausgewachsen/).